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Minderheiten in Griechenland *für absolut-relativ*

hallo ..

lasst den jungen mal in ruhe , da er sachlich und seriös über eine sache diskutiert !! ausserdem hetzt er nicht , sondern möchte nur lediglich ein paar sachen in die öffentlichkeit bringen , die vll nicht jedem bekannt ist !!

troy du griechischer orthodox , was quasselst du meinen nick hier rein ? hast du dich gewaschen bevor du mich erwähnt hast ?

noch was troyline , lass den spamm sein , bekanntlich kann man dafür verwarnt werden !!!

also halte dich an die forumsregeln , verstanden ?

biba
Er hat erst ne Verwarnung kassiert und später wurde sie zurückgenommen, da er anscheinend es IRONISCH meinte...

Sehr fair!
 
das ist ein sehr interessantes thema.


Albanischsprachige und Albaner in Griechenland sowie Griechen in Albanien
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Konrad Clewing aus pogrom - bedrohte völker Heft 2 / 2001

01. März 2001
Die albanischsprachigen Bevölkerungsteile in Griechenland sind nach Geschichte, Sprache und Bewusstsein keine einheitliche Gruppe. Insofern ist ihre auf griechisch übliche Bezeichnung als "Arvaniten" irreführend. Die internationale Wissenschaft bezeichnet als "Arvaniten" deshalb nur die Angehörigen der Nachfahren von Zuwanderern aus dem südalbanischen Bereich. Die erste und hauptsächliche Einwanderungswelle fand auf Einladung der örtlichen Herrscher ab dem 13. und dann v.a. im 14. und bis in das 15. Jahrhundert statt.

Seit damals siedeln die Arvaniten in etwa 300 Orten in Südgriechenland. So in Böotien, im östlich daran angrenzenden Attika (dem Umland von Athen), auf einigen Ägäisinseln (u.a. Euböa, Hydra) und auf der Peloponnes. Als Eigenbezeichnung verwenden sie teils ein früher gesamtalbanisches Ethnonym, arbërorë. Die Sprache heißt dann entsprechend arbërisht. Der Großteil hat inzwischen aber auch im eigenen Sprachgebrauch die griechischen Bezeichnungen (arvanitika für die Sprache) übernommen. Die Zahl der Arvaniten wird nach den Kriterien von Sprachgebrauch oder Bewusstsein heute oft auf 150.000 - 200.000 geschätzt. Allerdings ist das Arvanitische nicht nur stark mundartlich gegliedert, sondern seine Sprecher sind inzwischen alle zweisprachig, mit starker Tendenz zu griechischer Einsprachigkeit in der jüngeren Generation.

Zu der sprachlichen Assimilation trägt bei, dass die Kultur der Arvaniten fast rein dörflich geprägt ist. Wie die griechische Gesellschaft insgesamt orientieren sie sich jedoch stark am urbanen, "nicht-arvanitisch"-griechischen Muster. Verstädterung, Migration und soziale Mobilität haben daher regelmäßig Sprachwechsel und in der Folge auch eine Veränderung der Identität zur Folge. Sogar bewusste Arvaniten sehen sich sowohl als Griechen als auch als Arvaniten, d. h. eine politisierbare ethnische Identität gibt es nicht. Die griechischnationale Seite propagiert, dass man zugleich griechisch und arvanitisch sein kann. Die nie erfolgte Förderung von arvanitischer Sprache und Kultur und die jahrzehntelange, auf allen Ebenen der staatlichen Institutionen sowie vielfach auch in der griechisch-orthodoxen Kirche (der die Arvaniten angehören) betriebene Verdrängung und Prestigeminderung der Minderheitensprache zeigt, dass die Vereinbarkeit im Grunde nur solange akzeptiert wird, wie das noch vorhandene Arvanitische als Übergangsstadium zur völligen Angleichung an die griechischsprachige Umwelt verstanden werden kann. Dies und die albanerfeindliche Stimmung im Griechenland der 1990er Jahre hat dazu geführt, dass arvanitische Vereinigungen sich an der Idee des "Albanertums" orientiert haben. Die Vereinigungen waren Ende der 1970er Jahre gegründet worden.

Eine kleine zweite Gruppe von Albanischsprachigen bilden die Bewohner einiger Ortschaften im griechisch-bulgarisch-türkischen Grenzgebiet in Thrakien. Sie sind der Rest einer bis 1922/23 größeren örtlichen Konzentration im heutigen Dreiländereck, die sprachlichen Befunden zufolge wohl auf das 16. Jahrhundert zurückgeht. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kamen hierher noch einige Vertreter der albanischen Nationalbewegung, während heute auf der griechischen Seite zwar die albanische Sprache auch bei den jüngeren noch verbreitet ist, das Selbstverständnis aber "arvanitisiert" und griechisch ist.

Eine dritte albanischsprachige Gruppe ist heute nur noch teilweise vorhanden: die Çamen (griech. Tsamides) in einem schmalen, im Norden an Albanien angrenzenden Küstenbereich von Epirus. Anders als die beiden anderen Teilgruppen sind sie historisch und sprachlich ein Teil des geschlossenen albanischen Sprachgebiets und hatten bzw. haben ein albanisches ethnisches Bewusstsein. Die eigene Sprachbezeichnung z. B. lautet wie in Albanien shqipja. Als etwa je zur Hälfte muslimische und christlich-orthodoxe Minderheit durch die Grenzziehung von 1913 entstanden, wurde der muslimische Teil zwar offiziell vom griechisch-türkischen Bevölkerungsaustausch ausgenommen, tatsächlich jedoch wurde diese muslimische Minderheit diskriminiert. Als Folge der angeblichen Kollaboration mit den italienischen bzw. deutschen Besatzungstruppen und mit der von diesen eingesetzten albanischen Zivilverwaltung im 2. Weltkrieg wurden die verbliebenen ca. 20.000 muslimischen Albaner 1944 von griechischen Truppen kollektiv nach Albanien vertrieben. Die verbliebenen christlichen Çamen gibt es nach griechischer Lesart nicht. Sie sind wenig erforscht, scheinen aber immer noch ein Sonderbewusstsein und ihre Sprache zu besitzen und einem erheblichen amtlichen Druck ausgesetzt zu sein. Sie artikulieren sich jedoch nicht öffentlich.

Insgesamt hat der griechische Staat die albanischsprachigen Bevölkerungsgruppen nicht gefördert oder nur in ihrer kulturellen Eigenart akzeptiert. In einigen muslimischen çamischen Orten wurde einzig von 1936 bis 1939 halbherzig versucht, muttersprachlichen Unterricht anzubieten. Bis heute trägt Griechenland also wegen seiner verfehlten Minderheitenpolitik nicht zur grenzüberschreitenden Verständigung in Südosteuropa bei.

Griechen in Albanien

Die griechische Minderheit in Albanien und die albanische im nordwestlichen griechischen Epirus werden in der jeweiligen national gefärbten Sicht meist ohne Zusammenhang untersucht. Tatsächlich sind beide jedoch Ergebnis des gleichen Vorgangs: In der Folge der Balkankriege 1912/13 wurden durch das vorher einheitliche osmanische Gebiet Grenzen gezogen. Dadurch entstand eine griechische Minderheit in Südalbanien, welche heute teils räumlich kompakt (südlich der Stadt Gjirokastër), teils gemischt mit der albanischen Bevölkerung (im benachbarten Küstengebiet von Saranda und Himara) lebt. Durch Migration kamen die Griechen auch in die Städte Gjirokastër und die Hauptstadt Tirana. Es handelt sich dabei meist um überdurchschnittlich gebildete Angehörige der Minderheit, die für deren Interessenvertretung besonders wichtig sind. Noch unter kommunistischer Herrschaft wurde das Minderheitengebiet definiert. Es umfasst außer Himara die gesamte griechischsprachige Region. Der Minderheitenschutz beschränkte sich damals jedoch auf rudimentäre muttersprachliche Volksschulbildung. Weiterführende griechischsprachige Schulen entstanden erst in den letzten Jahren.

Wie viele Griechen gibt es in Albanien? Für die Zeit zwischen den Weltkriegen schätzt die beste, vom Völkerbund vorgenommene Zählung 35.000 - 40.000 Griechen. Die letzte albanische Volkszählung sprach 1989 von 58.758 Griechen, während die griechische Regierung zwar keinen offiziellen Standpunkt hat, aber häufig die in der griechischen Öffentlichkeit verbreitete Schätzung von 300.000 - 350.000 Albaniengriechen verwendet. Beide Angaben sind Ausdruck ethnopolitischen Wunschdenkens: Anhand der Wahlergebnisse der 1992 besonders erfolgreichen Sammelpartei der Minderheit, der "Partei der Union zur Verteidigung der Menschenrechte", läßt sich die Zahl (noch vor der großen ökonomisch bedingten Abwanderungswelle nach Griechenland) mit großer Sicherheit auf 100.000 - 120.000 bestimmen. Die Schätzung auf 300.000 - 350.000 schließt einen großen Teil der orthodoxen Albaner und vor allem der aromunischen Minderheit ein. Dieser gleichsam "expansive" Begriff wird auch von den politischen Vertretern der Albaniengriechen verfochten und trägt wesentlich zu albanischen Ängsten vor der Minderheit und vor Griechenland bei. Die mögliche Folge sind ethnonationale Polarisierungen wie bei den Kommunalwahlen im Bereich Himara im Herbst 2000. Es ist insofern bedauerlich, dass albaniengriechische Organisationen zum Boykott der Volkszählung vom April 2001 aufriefen. Der Streit um die Definition der Minderheit ist für diese selbst eine der wichtigsten Belastungen.

Dr. Konrad Clewing ist Historiker am Südostinstitut München und Spezialist für Albaner
 
Roma in Griechenland
Geächtet und verfemt
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Yvonne Bangert aus pogrom - bedrohte völker Heft 2 / 2001

01. März 2001
Rechtzeitig zu den Olympischen Sommerspielen 2004 will Gastgeber Griechenland die Umgebung der Wettkampfstätten offenbar "romafrei" bekommen. Nachrichten über Zwangsvertreibungen von Roma aus Gemeinden im Großraum Athen, aber auch aus Ortschaften in anderen Landesteilen, häufen sich seit Ende 1999. Sogar das IOC hat bereits gegen eine Zwangsräumung von Roma interveniert, die mit dem Bedarf an Bauland für Sportstätten begründet wurde (vgl. pogrom 208, S. 6). Die Regierung hat 1996 zwar ein Programm zur Besserstellung der Roma verabschiedet, dessen Ausführung aber den Kommunen übertragen. Unwillige Verwaltungsbeamte verschleppen offensichtlich die Umsetzung des Programms.

Im 11. Jahrhundert bereits sollen Roma im Zuge ihrer Wanderung von Armenien nach Westeuropa nach Thrakien gelangt sein. Durch den Lausanner Vertrag (1923), der u.a. die Grenzen zwischen Griechenland und Türkei festlegte, wurden die heute etwa 25.000 westthrakische Roma zur Minderheit innerhalb Griechenlands und erhielten aufgrund ihres muslimischen Glaubens gemeinsam mit den bulgarischsprachigen Pomaken und den Türken den offiziellen Status einer geschützten muslimischen Minderheit. Viele von ihnen sind inzwischen auf der Suche nach Arbeit in die Randgebiete der Ballungszentren abgewandert. Die christlich-orthodoxen Roma kamen als Flüchtlinge aus Ostthrakien, Istanbul und Kleinasien in den 1920er und 1930er Jahren über die Ägäischen Inseln oder Nordgriechenland, und ließen sich am Rande von Dörfern und Städten im ganzen Land nieder. Sie erhielten erst 1979 die Bürgerrechte. Schätzungen über die Gesamtzahl der Minderheit bewegen sich zwischen 120.000 und 300.000. Von der Mehrheitsbevölkerung werden sie meist als "Atsigani" oder abwertend "Gifti" (Gypsies) bezeichnet. Die muslimischen Roma nennen sich selbst auch "Türken".

Typische Erwerbszweige der Roma sind Saisonarbeit als Erntehelfer, Straßenhandel oder - für die Frauen - Arbeit als Haushaltshilfe. Kinder müssen häufig mitarbeiten, um das Einkommen der Familien zu sichern. In größeren Siedlungen gibt es unter Roma auch Kaffeehaus- oder Ladenbesitzer. In Berufen, die eine höhere Schulbildung erfordern, sind Roma dagegen selten zu finden. Wissen, so die Soziologin Sevasti Trubeta, wird traditionell mündlich innerhalb der Familien übermittelt, so dass Schulbildung häufig kein erstrebenswertes Sozialprestige besitzt. Viele Kinder brechen die Schule vorzeitig ab, z. B. weil sie in den Klassen von anderen Schülern oder den Lehrern diskriminiert werden, weil sie durch die Wanderarbeit der Familien die Schule zu häufig wechseln müssen, oder weil sie sehr jung heiraten. Die Analphabetenrate ist entsprechend hoch. Lediglich das Roma Viertel Agia Barbara in Athen wies nach einer Untersuchung von 1990 einen relativ hohen Anteil von 20 Prozent Grundschulabsolventen unter Männern und 22,7 Prozent unter den Frauen sowie einige Roma mit akademischer Bildung auf.

Im Dezember 1999 kam die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz ECRI in ihrem zweiten Bericht zu Griechenland zu dem Schluss, dass die Roma dort extrem harten Lebensbedingungen ausgesetzt seien. Oft werde im Zuge von Zwangsräumungen ihre gesamte Habe zerstört. Vielfach bekämen sie keinen Ersatzwohnraum zugewiesen und würden, wo immer sie sich erneut niederzulassen versuchten, vertrieben. Auch Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch, Minority Rights Group, Greek Helsinki Monitor oder European Roma Rights Center (ERRC) beschreiben die Situation der Roma in Griechenland einstimmig als katastrophal.

Ein Beispiel von vielen: Nach dem Erdbeben in Athen im September 1999, das auch die Roma aus den Vororten der Hauptstadt Aspropyrgos und Ano Liosia obdachlos machte, erhielten gerade zehn Roma Familien feste Notunterkünfte. Die meisten Roma wurden in Zelten untergebracht. Andere Obdachlose erhielten dagegen von Gemeinden, die Roma zuvor wegen Platzmangel die Ansiedlung verweigert hatten, großzügig Land als Nothilfe. Am 14. Juli 2000 zerstörten Bulldozer der Stadtverwaltung in Anwesenheit des Bürgermeisters und unter Polizeischutz einen Großteil der Zelt - Unterkünfte griechischer und albanischer Roma in Aspropyrgos, ohne dass die Bewohner ihre Habe zuvor bergen konnten. Familien mit kranken, nicht transportfähigen Mitgliedern wurde ein Ultimatum gesetzt, bis zum 17. Juli den Platz zu räumen. Ein gesetzlich erforderlicher richterlicher Beschluss lag nicht vor, auch ein ebenfalls vorgeschriebener Vertreter der Staatsanwaltschaft war nicht zugegen. Einige Tage zuvor, so ERRC, habe der Bürgermeister von Ano Liosia jeder ortsansässigen Roma Familie 100.000 Drachmen (ca. 300 Euro) als Prämie für das Verlassen des Ortes gezahlt und anschließend ihre Siedlung eingeebnet. Menschenrechtsorganisationen beklagen ebenfalls Polizeiwillkür und Straflosigkeit von Polizeibeamten. Im März 2000 z.B. wurde die Anklage gegen drei Polizeibeamte fallengelassen, die 1998 den unbewaffneten Rom Angelos Celal durch Schüsse in den Rücken getötet hatten: Sie hätten in Notwehr gehandelt.

Quellen: Human Rights Watch Worldreport 2000, Human Rights Development in Greece; Sevasti Trubeta: Sinti und Roma in Griechenland. Geschichte und Gegenwart, in. Südosteuropa 9-10/1996; dies.: "Türken" oder "Athigani"? Muslimische Roma in Nordgriechenland, in: Ethnos - Nation 7 / 1999; Focus: Roma in Greece; Sonderheft der Zeitschrift Roma Rights (ERRC), März 2001
 
Nationalitätenkonflikte mit langer Geschichte
Griechenlands Verhältnis zu seinen Nachbarn und Minderheiten ist verkrampft
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Tilman Zülch aus pogrom - bedrohte völker Heft 2 / 2001

01. März 2001
Wie die meisten Balkanstaaten hat sich Griechenland seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich in Jahrzehnten blutiger Auseinandersetzungen erkämpft. Erst 1826 konnte das südliche Griechenland seine Unabhängigkeit erklären. 600 Jahre lang war das griechische Siedlungsgebiet von Istanbul aus beherrscht worden. Noch heute spricht man in Griechenland, Bulgarien oder Serbien mit Ranküne vom "Osmanischen Joch" – und verdrängt damit auch die großen Errungenschaften osmanischer Kultur und viele Jahrzehnte guten oder erträglichen Zusammenlebens von Muslimen und Christen.

Anfang des 20. Jahrhunderts bewohnten die Griechen alle Küsten der Ägäis und des Schwarzen Meeres bis nach Trapezunt im Osten (heute Türkei) und nach Burgas im Norden (heute Bulgarien). Erst im Balkankrieg 1912/13 eroberten griechische Truppen den südlichen Epirus, Südmazedonien und Westthrakien. Griechen bildeten dort nur Minderheiten innerhalb der Bevölkerung. Weite Teile dieser Regionen waren von christlichen Bulgaren, Pomaken (bulgarischsprachigen Muslimen) und Aromunen, von Albanern christlichen und muslimischen Glaubens, von Türken und von muslimischen Roma bewohnt. In vorangegangenen Jahrhunderten hatten Albaner Regionen Südgriechenlands bis hinunter zum Peloponnes und sogar einzelne griechische Inseln besiedelt und den griechisch-orthodoxen Glauben angenommen. Viele dieser gräzisierten christlichen Albaner nahmen an den griechischen Unabhängigkeitskämpfen teil. Letzte Reste dieser Bevölkerungsgruppe bezeichnen sich heute als Arvaniten und treten für Förderung und Anerkennung ihrer Kultur ein.

1922 versuchte Griechenland, die Siedlungsgebiete an der östlichen Ägäisküste, in Ostthrakien und Konstantinopel an sich zu reißen. Mit Zustimmung Englands und Frankreichs marschierten griechische Truppen Richtung Ankara und wurden vor der türkischen Hauptstadt von Kemal Atatürk vernichtend geschlagen, nachdem die Alliierten ihre Waffenlieferungen eingestellt hatten. Die griechischen Siedlungsgebiete in Ionien und Ostthrakien wurden von türkischen Truppen erobert. Hunderttausende, überwiegend Zivilisten, verloren ihr Leben. Im Vertrag von Lausanne wurde - auch durch britischen Druck - die Vertreibung von 1,5 Millionen Griechisch-Orthodoxen aus der Türkei sanktioniert. Sie wurden in Nordgriechenland angesiedelt. Gleichzeitig mussten über 500.000 Muslime – unter ihnen Türken, Albaner, Pomaken und Roma – Nordgriechenland verlassen. Die Schrecken von Flucht, Vertreibung und Völkermord werden seither als beispielhafter "Bevölkerungsaustausch" umschrieben. Nur die muslimischen Minderheiten Westthrakiens wurden, geschützt durch ein Sonderstatut, ebenso von der Umsiedlung ausgenommen wie 250.000 Griechen in Konstantinopel/Istanbul und auf den Inseln Imbros und Tenedos.

Mit dem unseligen Mittel des Bevölkerungsaustauschs förderten ebenfalls in den 20er Jahren auch bulgarische und griechische Politiker die weitere Homogenisierung ihrer Länder. Die griechische Bevölkerung musste die Südküste Bulgariens verlassen, slawische Mazedonier wurden von Griechisch Mazedonien nach Bulgarien umgesiedelt. Während des griechischen Bürgerkrieges 1945-48 mussten weitere Zehntausende Slawomazedonier Griechenland verlassen und wurden auf die kommunistischen Staaten Osteuropas verteilt. Bis heute dürfen die meisten von ihnen nicht in ihre Heimat zurückkehren. Die damals im Land Zurückgebliebenen und ihre Nachfahren sind seither nur noch eine kleine Minderheit.

Während der Befreiungskämpfe der Völker des südlichen Balkans gegen die Türken hatte sich die große Mehrheit der Slawomazedonier an Bulgarien orientiert. Die mazedonischen Dialekte galten als Teil des Bulgarischen bis Tito-Jugoslawien 1944 eine eigene mazedonische Hochsprache schuf. Seither wurde Alexander der Große, der fast ein Jahrtausend vor der slawischen Besiedlung des Balkan Mazedonien beherrschte, eine Art mythischer Begründer Mazedoniens. Als es der südlichsten Republik des alten Jugoslawien gelang ohne kriegerische Auseinandersetzung mit Belgrad die Unabhängigkeit zu erlangen, nahm der neue Staat Mazedonien das antike mazedonische Sonnensymbol in seine Flagge auf.

Jetzt wirkten die Nationalitätenkämpfe in Nordgriechenland nach. Es waren wohl die größten Massendemonstrationen in Griechenland seit Ende des Zweiten Weltkrieges, als 1994 fast zwei Millionen Griechen mit antimazedonischen Parolen durch Athen und Saloniki marschierten. Griechenland gelang es, eine internationale Diskussion zu entfachen, Skopje zu erpressen und die europäischen Institutionen in Sachen Mazedonien zu paralysieren. Bis heute erleben viele Griechen Affekte des Chauvinismus, die sich aus Unsicherheit speisen. Vielleicht auch aus schlechtem Gewissen wegen der Vertreibung der Mehrheit der mazedonisch- und bulgarischsprachigen Bevölkerung aus Griechenland und der gnadenlosen Unterdrückung der dort zurückgebliebenen Minderheiten.

Noch viel bedenklicher sind die Folgen der antitürkischen Ressentiments. Die griechische öffentliche Meinung folgte Serbiens Agitation gegen Bosnien, als es dessen südslawische Muslime mit Aggression und Genozid überzog und zu Türken erklärte. Griechenland nahm entschieden Partei für den Krieg des Milosevic. Dessen Schlächter Karadjic erhielt einen Griechischen Menschenrechtspreis. Griechenland unterlief über Serbien verhängte Sanktionen und lieferte Nachschub für Belgrad, nicht zuletzt Petroleum aus dem Nahen Osten. Das Milosevic-Regime durfte seine finanziellen Transaktionen über Athen und selbst über das ferne Zypern abwickeln.

Erst eine tolerante griechische Minderheitenpolitik nach den Maßstäben des Europarates und der Europäischen Union, erst die Anerkennung der Rechte von Aromunen, Arvaniten und Slawomazedoniern, die Beendigung diskriminierender Gesetze und Regierungspraxis gegenüber den drei muslimischen Minderheiten der Türken, Pomaken und Roma, wird verkrustete Ressentiments auflösen und das Verhältnis Griechenlands zu den Nachbarn in Südosteuropa entkrampfen.

Aber jede Beschäftigung mit den griechischen Minderheitenproblemen bedarf eines Blickes in Richtung Türkei. Alle türkischen Regierungen haben den Vertrag von Lausanne missachtet. In den 50er und sogar noch in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts kam es zu schrecklichen Pogromen an den Griechen von Istanbul/Konstantinopel und den Inseln Imbros und Tenedos. Seit 1974 müssen 80 Prozent der Bevölkerung Nordzyperns als Flüchtlinge im griechischen Südteil der Insel leben. Sogar die Hälfte der türkischen Zyprioten hat das von türkischem Militär besetzte Nordzypern verlassen. Wenn wir diese Tatsachen im Auge haben, werden unsere Forderungen nach Toleranz für die Minderheiten in Griechenland umso glaubwürdiger
 
Zwischen Kulturpflege und Sprachverdrängung
Aromunen (Vlachen) in Griechenland
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Thede Kahl aus pogrom - bedrohte völker Heft 2 / 2001

01. März 2001
Wer in Griechenland von "Vlachen" spricht, wird leicht missverstanden. Während man im Norden des Landes unter "Vlachen" die Gruppe der Aromunen versteht, denkt man anderswo eher allgemein an rückständige Landbevölkerung. Dabei haben gerade die Aromunen durch zahlreiche Mäzene, Nationalhelden und Intellektuelle einen bedeutenden Beitrag zur geschichtlich-kulturellen Entwicklung Griechenlands geleistet. Das Bild der Aromunen als wildes Hirtenvolk wird heute noch durch die Medien geschürt. Die Identifikation mit dem Griechentum als altes Kulturvolk erleichtert es den Aromunen, dieses Image abzulegen. Die Mehrheit der Aromunen bezeichnet sich selbst nicht als Minderheit und erkennt diejenigen Personen, die als Vertreter der Minderheit entsprechende Rechte fordern, nicht als Aromunen an.

Im wissenschaftlichen Gebrauch wird zwischen Aromunen und dem umfassenderen Begriff der Vlachen unterschieden. Da der Begriff "Aromune" in Griechenland aber weitgehend unbekannt ist, werden die Bezeichnungen im folgenden parallel verwendet.

Die Aromunen machen in vielen Gebieten Nordgriechenlands eine starke Bevölkerungsgruppe aus. Da sie ursprünglich Nomaden und Händler waren, leben sie über die ganze Balkanhalbinsel verstreut und lassen sich schlecht zählen. In den Lausanner Verträgen von 1923 ist die Rede von 150.000 bis 200.000 Vlachen in Griechenland. Die letzten Volkszählungen in Griechenland, die zwischen einzelnen christlichen Ethnien unterscheiden, gaben nur 26.750 (1940) und 22.736 (1951) in Griechenland lebende Vlachen an. Die Aromunen dürften heute ca. 300.000 Personen in Griechenland ausmachen, die Zahl der Aktivsprecher scheint aber nicht wesentlich über 100.000 zu liegen. Neben den Aromunen leben noch Meglenorumänen (megenitische Vlachen) im Paiko-Gebirge nordwestlich von Thessaloniki (Distrikte Kilkis und Edessa) sowie im salwo-makedinischen Städtchen Gevgeljia. In ihrer Kultur und Sprache zeigen sich eher slawische Einflüsse, während die Aromunen viele griechische Elemente annahmen. Das Bewusstsein ihrer Unterschiedlichkeit von den Aromunen schwindet auf diesem Wege bei der jungen Bevölkerung. Die Meglenorumänen Griechenlands dürften 5.000 Personen nicht überschreiten.

Da in Griechenland offiziell lediglich die Minderheit der "Muslime" existiert, erfährt der Minoritätenbegriff für Nicht-Muslime eine negative Wertung. Die meisten Aromunen nennen heute ihre Sprache das einzige Merkmal, das sie von den (übrigen) Griechen unterscheidet. Ihre romanische Sprache ist eng mit dem Rumänischen verwandt und wird daher von vielen als ein Dialekt des Rumänisches angesehen. Wie bei anderen Minderheitensprachen, versuchen lokale Politiker auch im Fall des Aromunischen, die Sprache als minderwertiges Idiom abzustempeln, das weder über Grammatik noch Schriftlichkeit verfügt. Dazu kommt die Behauptung, die Minderheitensprache wäre zwangsweise oder versehentlich zusätzlich zum Griechischen erlernt worden, und man sollte die alte Muttersprache, das Griechische, schnellstmöglich wieder zur einzigen eigenen Sprache machen. Diese Denkweise hat sich sogar bei vereinzelten Sprachwissenschaftlern breitgemacht. Erwünschte Folge ist vielfach ein verschlechtertes Ansehen der Minderheitensprachen und die Bevorzugung der Staatssprache. Im "Optimalfall" geht mit dem Sprachverlust ein Identitätsverlust einher, und Griechenlands Bevölkerung wird ethnisch wieder ein Stückchen einheitlicher.

Die Entscheidung des Europarates von 1997, die das Aromunische als eine schützenswerte Minderheitensprache in Griechenland unterstützt, stieß auf heftige Kritik der Panhellenischen Vereinigung Kultureller Vereine der Vlachen (der größten aromunischen Organisationen Griechenlands). Bei der Betrachtung der über 200 aromunischen Vereine Griechenlands fällt auf, dass keiner von ihnen einen aromunischen Namen trägt und keiner sich die Erhaltung des Aromunischen zum Hauptziel erklärt hat (mit Ausnahme des Vereins von Véria). Zwar finden seit 1994 gelegentlich an der Aristoteles-Universität von Thessaloníki Kurse statt, in denen Aromunisch unterrichtet wird - von Sprachpflege kann aber keine Rede sein. Die meisten heutigen Vereine verfügen über eine Tanz- und Trachtengruppe und organisieren Ausstellungen mit lokaler Volkskunst. Die seit 15 Jahren meist in Métsovo stattfindenden Vlachentreffen stellen mit über 40.000 Teilnehmern die weltweit größten Zusammentreffen von Aromunen dar. Die aromunische Kulturarbeit, die in Griechenland stattfindet, sucht in ganz Südosteuropa ihresgleichen. Sobald bei Veranstaltungen jedoch Aromunisch gesprochen wird oder irgendwelche prorumänischen Tendenzen gewittert werden, werden sie so gut wie möglich boykottiert und kritisiert. Entsprechend gibt es in Griechenland heute keine Zeitschriften, die sich des Aromunischen bedienen.

Mit Sicherheit aber ist die schlechte Sprachsituation nicht allein in der starken Identifikation mit griechischer Kultur zu begründen, sondern geht auch auf Repressalien in der Vergangenheit zurück. Viele Aromunen Griechenlands erinnern sich aus ihrer Kindheit an Verbote, in den Schulen Aromunisch zu sprechen. Aromunen der Diaspora können sogar von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Vertreibung berichten. Die Einschüchterungen durch lokale Politiker, Lehrer, Priester sowie eine rechte Presse (z.B. Stóchos, Chrysí Avgí) haben bewirkt, dass Themen wie Abstammung, Sprache und Identität der Aromunen tabu waren. Minderheitensprachen wurden heimlich zu Hause gesprochen. Auch heute noch halten viele Kreise in Griechenland nahezu jede nicht rein kulturelle Beschäftigung mit den Aromunen für "ethnisch gefährlich". Die Enttabuisierung des Themas und die politische Lockerung der letzten Jahre erlaubt zwar heute in Griechenland eine offenere Diskussion über Identitätsfragen der Aromunen, dennoch kommt es immer wieder zu Auseinandersetzungen. 1998 fanden unmittelbar hintereinander zwei aromunische Veranstaltungen statt. Das kulturell ausgerichtete Aromunentreffen in Velestino wurde perfekt organisiert und von Politikern unterstützt, der eine Woche später in Lárisa stattfindende Kongress zur Situation des Aromunischen, der von Aromunen der Diaspora organisiert worden war, wurde mit allen Mitteln boykottiert und in Tageszeitungen als staatsfeindliche Propaganda verurteilt.

Im Ausland stattfindende Initiativen zur Bewahrung der aromunischen Sprache werden in Griechenland schnell als rumänische Propaganda verstanden, und man ist nicht zimperlich damit, vermeintlichen Akteuren aus Rumänien Einreiseverbote für Griechenland zu erteilen. Auch Organisationen, die sich heute mit Minderheitensprachen in Griechenland beschäftigen, haben unter diesem Misstrauen zu leiden (z.B. das heftig kritisierte Zentrum zur Bewahrung von Minderheitensprachen KEMO).

Gipfel der Intoleranz ist der aktuelle Fall der Inhaftierung des Aromunen Sotiris Bletsas, Mitglied der Gesellschaft für Aromunische (Vlachische) Kultur in Athen, der am 2. Februar zu 15 Monaten Gefängnis und einer Geldstrafe von 500.000 Drachmen (ca. 3.000 DM) verurteilt wurde. Die Begründung lautete, er habe nach Artikel 191 des griechischen Strafrechts "falsche Informationen verbreitet". Die Anklagen bezogen sich auf den Juli 1995, als Sotiris Bletsas die Sprachenkarte des Brüsseler European Bureau for Lesser Used Languages auf einem aromunischen Kulturfestival in Náusa verteilte, auf der die Sprachminderheiten in Griechenland (u.a. aromunisch) dargestellt sind. Wer hoffte, man könne aufgrund der Lockerungen der letzten Jahre auf einen neuen Umgang Griechenlands mit seinen Minderheitensprachen schließen, der hat etwas zu früh gehofft.

Anm. d. Red.: Gegen das o.g. Urteil gegen Sotiris Bletsas protestierte die Gesellschaft für bedrohte Völker am 8. Februar mit einer Presseerklärung, die auch unter griechischen Medienvertretern verbreitet wurde.

Thede Kahl ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geographie in Münster und häufig auf Feldforschung in Südosteuropa unterwegs.
 
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