Austrofaschismus als Drehbuch: Wie die FPÖ nach der Macht greift
Österreich wählt 2024 und alle Umfragen sehen die FPÖ, an deren Spitze sich Herbert Kickl bereits als künftiger „Volkskanzler“ inszeniert, auf Platz eins. Die Partei, in vielen Aspekten der deutschen AfD ähnlich, hat schon mehrmals mitregiert. Aber bewahrheiten sich die Umfragen, dann könnte die FPÖ dieses Mal sogar tatsächlich den Kanzler stellen, denn die konservative ÖVP schließt eine Koalition mit ihr nicht aus.
Bisher scheint Kickls autoritäres Drehbuch aus Kulturkampf und Institutionenverachtung zu funktionieren. Das hat verschiedene Ursachen. Eine davon: Das Land hat sich nie seiner genuin austrofaschistischen Geschichte gestellt, die vor genau 90 Jahren in den Bürgerkrieg führte. Die damalige Zerstörung der Demokratie war von einer langen Latenzperiode geprägt, die ihren ersten Höhepunkt mit der Verfassungsnovelle von 1929 erreichte. Sie bewirkte eine Machtverschiebung vom Parlament zur Regierung, stattete den Bundespräsidenten mit autoritärer Gewalt aus und entledigte sich durch eine „Umpolitisierung“ der Richterschaft der lästigen Kontrollfunktion des Verfassungsgerichtshofes (VfGH). Hans Kelsen, bis dahin Mitglied des VfGH, bezeichnete die Novelle als „den Beginn einer politischen Evolution, die unweigerlich in den Faschismus führte“.[1] Nach 1945 griff Österreich auf diese Verfassung zurück. Das Amt des Bundespräsidenten ist seither eine „tickende Zeitbombe“[2], deren Explosivität sich die FPÖ bewusst ist.
Das Jahr 1934 zählt nach wie vor zu den umstrittensten Kapiteln österreichischer Geschichte. Im Schulunterricht vieler Generationen war und ist es dem Thema „Zwischenkriegszeit“ untergeordnet, die wiederum in ihrer wirtschaftlichen und politischen Zerrüttung als unweigerlich in den Nationalsozialismus führend gelesen wird. Auf die Weltwirtschaftskrise 1929 folgte im Geschichtsbuch auch schon der „Anschluss“ Österreichs an Nazideutschland 1938: das „erste Opfer“.[3] Über die Jahre dazwischen wusste lange nur Bescheid, wer in einem sozialistisch geprägten Arbeiterhaushalt aufwuchs und die Traumatisierung des Bürgerkriegs als Teil der Familiengeschichte rezipierte. Der „verdrängte Bürgerkrieg“ vom Februar 1934 und das durch die „Maiverfassung“ gefestigte diktatorische Regime, das heute viele Namen hat, bilden in ihrer Ausblendung eine latente Konstante in der Politik der Zweiten Republik seit 1945.[4] Das 2018 zum 100. Jahrestag der Gründung der Ersten Republik eröffnete Haus der Geschichte Österreich bezeichnet jene Zeit nach langen Diskussionen als „Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur“, thematisiert allerdings auch die Begriffe „Austrofaschismus“, „Ständestaat“, „autoritärer Ständestaat“ sowie „Kanzlerdiktatur“.
Österreich wählt 2024 und alle Umfragen sehen die FPÖ, an deren Spitze sich Herbert Kickl bereits als künftiger „Volkskanzler“ inszeniert, auf Platz eins. Die Partei, in vielen Aspekten der deutschen AfD ähnlich, hat schon mehrmals mitregiert. Aber bewahrheiten sich die Umfragen, dann könnte die FPÖ dieses Mal sogar tatsächlich den Kanzler stellen, denn die konservative ÖVP schließt eine Koalition mit ihr nicht aus.
Bisher scheint Kickls autoritäres Drehbuch aus Kulturkampf und Institutionenverachtung zu funktionieren. Das hat verschiedene Ursachen. Eine davon: Das Land hat sich nie seiner genuin austrofaschistischen Geschichte gestellt, die vor genau 90 Jahren in den Bürgerkrieg führte. Die damalige Zerstörung der Demokratie war von einer langen Latenzperiode geprägt, die ihren ersten Höhepunkt mit der Verfassungsnovelle von 1929 erreichte. Sie bewirkte eine Machtverschiebung vom Parlament zur Regierung, stattete den Bundespräsidenten mit autoritärer Gewalt aus und entledigte sich durch eine „Umpolitisierung“ der Richterschaft der lästigen Kontrollfunktion des Verfassungsgerichtshofes (VfGH). Hans Kelsen, bis dahin Mitglied des VfGH, bezeichnete die Novelle als „den Beginn einer politischen Evolution, die unweigerlich in den Faschismus führte“.[1] Nach 1945 griff Österreich auf diese Verfassung zurück. Das Amt des Bundespräsidenten ist seither eine „tickende Zeitbombe“[2], deren Explosivität sich die FPÖ bewusst ist.
Das Jahr 1934 zählt nach wie vor zu den umstrittensten Kapiteln österreichischer Geschichte. Im Schulunterricht vieler Generationen war und ist es dem Thema „Zwischenkriegszeit“ untergeordnet, die wiederum in ihrer wirtschaftlichen und politischen Zerrüttung als unweigerlich in den Nationalsozialismus führend gelesen wird. Auf die Weltwirtschaftskrise 1929 folgte im Geschichtsbuch auch schon der „Anschluss“ Österreichs an Nazideutschland 1938: das „erste Opfer“.[3] Über die Jahre dazwischen wusste lange nur Bescheid, wer in einem sozialistisch geprägten Arbeiterhaushalt aufwuchs und die Traumatisierung des Bürgerkriegs als Teil der Familiengeschichte rezipierte. Der „verdrängte Bürgerkrieg“ vom Februar 1934 und das durch die „Maiverfassung“ gefestigte diktatorische Regime, das heute viele Namen hat, bilden in ihrer Ausblendung eine latente Konstante in der Politik der Zweiten Republik seit 1945.[4] Das 2018 zum 100. Jahrestag der Gründung der Ersten Republik eröffnete Haus der Geschichte Österreich bezeichnet jene Zeit nach langen Diskussionen als „Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur“, thematisiert allerdings auch die Begriffe „Austrofaschismus“, „Ständestaat“, „autoritärer Ständestaat“ sowie „Kanzlerdiktatur“.
Austrofaschismus als Drehbuch: Wie die FPÖ nach der Macht greift | Blätter für deutsche und internationale Politik
Österreich wählt 2024 und alle Umfragen sehen die FPÖ, an deren Spitze sich Herbert Kickl bereits als künftiger „Volkskanzler“ inszeniert, auf Platz eins. Die Partei, in vielen Aspekten der deutschen AfD ähnlich, hat schon mehrmals mitregiert.
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