Die Nord-Stream-Ermittlungen spalten Europa im Ukraine-Konflikt
Drei Jahre lang traf sich ein Expertenteam von Kriminalbeamten jeden Werktagmorgen im Hauptquartier des Bundespolizeiamtes in Potsdam bei Berlin, um die Hintergründe des größten Sabotageakts der modernen Geschichte – die Sprengung der Nord-Stream-Pipelines – zu erörtern. Nun droht ihre Untersuchung, die Unterstützung für die Ukraine, das Land, das sie dafür verantwortlich machen, zu schwächen.
Polen hat bereits die Auslieferung eines der Verdächtigen zur Verhandlung nach Deutschland abgelehnt. Stattdessen wird er dort als Held gefeiert, weil er eine wichtige Einnahmequelle für die Kriegsmaschinerie des russischen Präsidenten Wladimir Putin zerstört hat. Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk, der Deutschlands Abhängigkeit von russischer Energie seit Langem infrage stellt, verhöhnte die Ermittlungen. „Das Problem ist nicht die Sprengung der Pipeline, sondern ihr Bau“, sagte er.
Ein weiterer Auslieferungsfall, diesmal mit einem ukrainischen Verdächtigen in Italien, dürfte in den kommenden Wochen abgeschlossen werden und droht, Kiews Rolle erneut in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken.
Deutsche Polizisten, Staatsanwälte und andere mit den Feinheiten des Falls vertraute Personen haben nach eigenen Angaben ein klares Bild davon gezeichnet, wie eine ukrainische Eliteeinheit die Angriffe unter der direkten Führung des damaligen Oberbefehlshabers der Ukraine, General Walerij Saluschni, durchführte.
Ziel der Saboteure war es, sowohl Russlands Öleinnahmen als auch die wirtschaftlichen Beziehungen zu Deutschland zu unterbrechen.
Wie sich herausstellte, waren ihre Bemühungen nicht überall auf Zustimmung gestoßen.
Der ukrainische Taucher, den das Team in Polen aufgespürt hatte, wurde anschließend in einem schwarzen BMW mit Diplomatenkennzeichen, gefahren vom ukrainischen Militärattaché in Warschau, in die Ukraine gebracht. Die ukrainische Regierung lehnte eine Stellungnahme ab. Ein hochrangiger ukrainischer Beamter erklärte unter vier Augen, Kiew habe nach einer Warnung der polnischen Regierung gehandelt.
Der Kommandant der Sabotageeinheit wurde unterdessen nach einer umfassenden Fahndung in Italien aufgespürt.
Die italienischen Carabinieri nahmen ihn fest, nachdem er in einer Ferienanlage in der mittelalterlichen Stadt San Clemente eingecheckt hatte. Am folgenden Tag, auf dem Weg zum Gericht, stellte sich Sergej den Fernsehteams und hob drei Finger – den ukrainischen Gruß, der den Tryzub, das Nationalemblem, symbolisiert. Sein Anwalt argumentierte, Sergej sei unschuldig, doch derjenige, der Nord Stream gesprengt habe, habe im Rahmen einer Militäroperation zur Verteidigung der Ukraine gehandelt und genieße daher Immunität.
Bis Dezember werden italienische Richter voraussichtlich über die Auslieferung des Ukrainers nach Deutschland entscheiden. Die deutsche Polizei hat bereits ein Flugzeug bereitgestellt, um Sergej in Italien abzuholen und ihn zur Gerichtsverhandlung nach Hamburg zu bringen.
Dies könnte sich als zweischneidig erweisen. Jede Gerichtsverhandlung dürfte die Beziehungen zwischen der Ukraine und Deutschland, Kiews größtem Geldgeber und Lieferant begehrter Militärtechnik, insbesondere von Luftverteidigungssystemen, weiter belasten. Auch auf Bundeskanzler Friedrich Merz wächst der politische Druck. Personen aus seinem Umfeld gaben jedoch an, die innenpolitischen Folgen trotz der Versuche der Opposition, die Ukraine-Finanzierung einzustellen, bewältigen zu können. Die deutsche Öffentlichkeit habe sich bereits an die Vorstellung gewöhnt, Kiew stecke hinter dem Anschlag, unter anderem durch Berichte im Wall Street Journal.
Dennoch deuteten hochrangige Beamte an, die diplomatischen Folgen der Bombenanschläge wären für Deutschland möglicherweise leichter zu bewältigen gewesen, wenn die Ermittler nicht so erfolgreich Beweise gegen die Ukraine gesammelt hätten.