Wirtschaftsprogramm als Sargnagel
Wie alle Staaten kämpft auch Großbritannien mit den geopolitischen Entwicklungen, doch die langen Schatten des Brexits und das innenpolitische Chaos verschärfen die Lage beträchtlich. Deutlich wurde das zuletzt an den Marktturbulenzen, die Truss’ radikales Wirtschaftsprogramm ausgelöst hatten.
Die Premierministerin und ihr damaliger Finanzminister Kwasi Kwarteng hatten die Finanzmärkte vor rund einem Monat ins Chaos gestürzt, als sie milliardenschwere, nicht gegenfinanzierte Steuerentlastungen ankündigten. Mit dieser hatte Truss „die Freiheiten des Brexits“ nutzen wollen. Doch die Märkte reagierten brutal und schickten den Kurs des Pfunds in den Keller. Daraufhin musste die Zentralbank mit Notanleihekäufen den Kollaps von Pensionsfonds verhindern. Nur wenige Tage später war das politische Schicksal der Tory-Spitze besiegelt.
„Isolierter Inselstaat im Atlantik“
International wurden die Entwicklungen mit Sorge kommentiert. Der „Economist“ ortete jüngst „italienische Verhältnisse“ in Großbritannien und stellte Truss auf dem Titelbild als Britannia mit Pizza als Schild und einer Gabel mit Spaghetti dar. Dazu die Worte: „Welcome to Britaly“. London habe sich seit dem Brexit von einer Führungsmacht in Europa zunehmend zu einem „isolierten Inselstaat im Atlantik“ entwickelt, urteilte die „Washington Post“.
Ein Großteil der Probleme sei dabei selbst verschuldet und eine Folge des Brexits. Dieser leitete ein „chaotische politische Ära ein, die von einer Reihe schlechter Regierungschefs geprägt war: der schwachen Theresa May, dem clownhaften Boris Johnson und der inkompetenten Frau Truss“. Letztere habe gleichzeitig viele Fehler ihrer Vorgänger ausbaden müssen, so das „Wall Street Journal“.