Staatsversagen in Frankreich?
Ein Konzept für Verbesserungen in den Vororten wurde verworfen, soziale Durchmischung gibt es nicht: In Frankreich fühlen sich viel zu viele im Stich gelassen
Kommentar der anderen/Joëlle Stolz
Im Gastkommentar analysiert die frühere Wien-Korrespondentin Joëlle Stolz die Situation in Frankreich nach den schweren Ausschreitungen im Land.
Angesichts der Unruhen, die gerade die französischen Vororte heimgesucht haben, dürften viele Österreicherinnen und Österreicher ein Déjà-vu-Erlebnis gehabt haben: Sie erinnerten stark an den Beginn von "Athena", die von Netflix ausgestrahlte Fiktion von Romain Gavras, die Ende Oktober 2022 die Unruhen in Linz inspiriert hatten. Der gleiche Einsatz von Feuerwerksgeschoßen, die die Nacht erhellen, die gleiche Gewalt nach dem Tod eines der Ihren durch Polizeigewalt, die gleichen Zusammenstöße von entfesselten Jugendlichen mit den Einsatzkräften.
In den betroffenen Vierteln in Frankreich herrscht Bestürzung: "Wir sind diejenigen, die dafür zahlen", resümierte eine Anwohnerin in einem Mediapart-Bericht vor dem geschwärzten Skelett ihres Autos, das sie für die Fahrt zur Arbeit braucht. Aber auch die Empörung darüber, als nachlässige Eltern abgestempelt zu werden, die ihre Kinder nicht kontrollieren können. Lachgas (Azotprotoxyd), das einen "Rausch" auslöst und seit 2019 von immer mehr Jugendlichen als legale Droge verwendet wird, hat dabei eine Rolle gespielt. Wie die Misere der Kinderpsychiatrie, besonders nach den Covid-Wellen, infolge derer viele jeglichen Kontakt mit einer schulischen Normalität für immer verloren haben.
Ein Konzept für Verbesserungen in den Vororten wurde verworfen, soziale Durchmischung gibt es nicht: In Frankreich fühlen sich viel zu viele im Stich gelassen
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