RUSSLANDS BRAINDRAIN
Ein Land verliert sein Potenzial
Spätestens seit der Teilmobilmachung in Russland haben sich viele Bürgerinnen und Bürger entschlossen, das Land zu verlassen. Schon zuvor gab es einen deutlichen Braindrain. Schätzungen zufolge könnten es inzwischen über eine Million Menschen sein, die Russland bereits den Rücken kehrten – der Großteil davon junge Leute. Das Ausrinnen wird Folgen für das Land haben, die noch lange nach der Ära von Präsident Wladimir Putin nachwirken werden.
Unterdrückung der Opposition, Beschneidung der Grundrechte, die völkerrechtswidrige Annexion der Krim 2014: Schon vor dem Überfall auf die gesamte Ukraine gab es für Russinnen und Russen viele Gründe, das Land zu verlassen. Seit Kriegsbeginn und der folgenden Teilmobilmachung im September stieg die Zahl weiter an.
Offizielle Zahlen gibt es kaum, aber valide Anhaltspunkte und Schätzungen, und diese bewegen sich zwischen den Hunderttausenden bis hinauf in die Millionen. So schätzte im Mai das britische Verteidigungsministerium, dass im Vorjahr etwa 1,3 Millionen Russinnen und Russen das Land verließen. Laut BBC erhielten in den vergangenen eineinhalb Jahren etwa 155.000 Russen Aufenthaltsgenehmigungen in EU-Ländern sowie auf dem Balkan, in Zentralasien und im Kaukasus. Fast 17.000 hätten in der EU um politisches Asyl angesucht, nur 2.000 hätten es auch bekommen.
Die vielen Menschen, die seit Kriegsbeginn Russland verlassen, addieren sich zu jenen, die das schon in den vergangenen Jahren getan haben. Laut einer Studie der Freien Universität Berlin aus dem Jahr 2019 verließen seit Putins dritter Amtsübernahme im Kreml 2012 bis zu zwei Millionen das Land.
Auch in Österreich merkbar
Auch in Österreich stieg die Zahl der Asylanträge von Russinnen und Russen merkbar. Waren es laut Zahlen der Statistik Austria und des Innenministeriums 2021 493 Anträge, verdoppelte sich die Zahl 2022 fast auf 912. Allein in den ersten drei Monaten des heurigen Jahres waren es bereits wieder 319. Einen ähnlichen Trend gibt es in Deutschland, allerdings mit weit größeren Zahlen. In Europa ist Deutschland das Hauptzielland, hier wurden laut der Europäischen Asylagentur im März 45 Prozent der russischen Asylanträge gestellt, in Österreich waren es drei Prozent.
Spätestens seit der Teilmobilmachung in Russland haben sich viele Bürgerinnen und Bürger entschlossen, das Land zu verlassen. Schon zuvor gab es einen deutlichen Braindrain. Schätzungen zufolge könnten es inzwischen über eine Million Menschen sein, die Russland bereits den Rücken kehrten – der...
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