Eurasische Wirtschaftsunion mit Armenien
Ab dem heutigen Freitag gehört Armenien als Vollmitglied zur Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU). Die EAWU war erst am Vortag, mit dem Beginn des Jahres 2015, aus der bisherigen Zollunion der drei Länder Russland, Kasachstan und Weißrussland offiziell hervorgegangen.
Bis Jahresende ist die armenische Teilnahme an den EAWU-Exekutivorganen laut der russischen Nachrichtenagentur TASS aufgrund fortbestehender Vollmachten noch eingeschränkt. Der zugrunde liegende Beitrittsvertrag war im vergangenen Oktober unterzeichnet worden.
Armenien hat jetzt bis 2022 Zeit, seine Zolltarife dem EAWU-Standard anzupassen. Im Gegenzug erhält das Land einen Anteil von 1,13 Prozent der gesamten EAWU-Einnahmen aus Zoll- und Mehrwertsteuer. Der Anteil der bisherigen Mitglieder reduziert sich entprechend auf 86,97 Prozent (Russland), 7,25 Prozent (Kasachstan) und 4,65 Prozent (Weißrussland).
Parallel verhandelt Armenien in den kommenden Monaten mit der Welthandelsorganisation WTO mit dem Ziel der Anpassung armenischer WTO-Verpflichtungen an die EAWU-Mitgliedschaft.
Konnte der Westen in den vergangenen Jahren die meisten europäischen Ex-Republiken der UdSSR — baltische Länder, Ukraine, Moldawien — in Form der EU-Assoziierung bzw. des EU- oder NATO-Beitritts in seinen Einflussbereich ziehen, so punktete Russland im Kaukasus. Nach einer Phase intensiven Flirtens mit der EU unternahm Armenien im Herbst 2013 eine Kehrtwende und entschied sich für das Zusammengehen mit Russland im Rahmen der Moskauer Eurasien-Politik.
Zu groß waren die Abhängigkeiten vom mächtigen Nachbarn im Norden, der in der Vergangenheit der wichtigste — und oft auch einzige — Verbündete des christlichen Armeniens war. Gerade vor dem Hintergrund des aufstrebenden Islams — im Süden und Osten umgeben von der Türkei, dem Iran und Aserbaidschan — erscheint vielen Armeniern der russische Partner verlässlicher als das immer säkularer werdende Westeuropa.
Keine geringe Rolle spielt auch das russische Angebot preisgünstiger Gaslieferungen. Die englischsprachige Moscow Times zitierte schon vor geraumer Zeit den Ökonomen Alexander Knobel, demzufolge Moskau den Armeniern als Gegenleistung für den EAWU-Beitritt einen Gaspreis von 170-180 US-Dollar je tausend Kubikmeter versprochen hat.
Im Mai stößt auch das zwischen Kasachstan und China liegende Kirgistan als fünftes EAWU-Mitglied hinzu. Den Kirgisen dürfte die Entscheidung für den Beitritt noch am schwersten gefallen sein, auch wenn dort nicht die EU als Konkurrent auftrat. Das entlang der historischen Seidenstraße in den Tälern des Tianschan-Gebirges gelegene Land gehört seit altersher auch zum chinesischen Einflussbereich. Während der Han-Dynastie vor zweitausend Jahren waren die Städte entlang der Handelswege in die westlich gelegene Wüste jahrhundertelang den Chinesen tributpflichtig.
Der Beitritt kommt die Kirgisen in der Tat teuer zu stehen. Noch zählen die Märkte in der Hauptstadt Bischkek zu den bedeutendsten in ganz Zentralasien — sie sind der erste Anlaufplatz für chinesische Waren, die ungehindert und zollfrei über die Grenze kommen. Angeblich 400.000 Kirgisen leben vom florierenden Handel mit dem Reich im Osten.
Der Beitritt zur EAWU schiebt dem zollfreien Import bald einen Riegel vor. Der kirgisische Präsident Almasbek Atambajew hat Ende Dezember angedeutet, das der Beitritt auch ein zivilisatorisches Bekenntnis spiegele. Nach den Erfahrungen der Uiguren — Turkmenen und Muslime wie die Kirgisen — im angrenzenden Xinjiang mit der chinesischen Herrschaft wähnt die kirgisische Elite sich in der Allianz mit Russland offensichtlich in besseren Händen.
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