Absage des Petersburger Dialogs stößt auf Proteste
27. Oktober 2014
Igor Rosin, RBTH
Die Absage des für diese Woche geplanten Petersburger Dialogs und der damit üblicherweise einhergehenden Regierungskonsultationen auf höchster Ebene stößt sowohl in Deutschland als auch in Russland auf Kritik.
Zunächst hatten mehrere deutsche Nichtregierungsorganisationen, wie die Heinrich-Böll-Stiftung, die Organisationen Deutsch-Russischer Austausch und Europäischer Austausch sowie Vertreter von Amnesty International und Greenpeace ihre Teilnahme abgesagt. Sie begründeten ihre Haltung in einem Brief an die Bundesregierung mit Russlands Agieren im Ukraine-Konflikt und Repressalien gegen russische Organisationen. Nun fallen sowohl das Treffen von Vertretern der Zivilgesellschaft als auch die Regierungskonsultationen ganz aus.
Der Widerstand gegen die Entscheidung wächst. Vertreter namhafter zivilgesellschaftlicher russischer und deutscher Organisationen protestierten in einem Brief an Bundeskanzlerin Merkel und Außenminister Steinmeier gegen die Absage der Veranstaltung. Die Unterzeichner fragen, „wie es in einer gestandenen Demokratie wie in Deutschland passieren konnte, dass die Boykott-Erklärung von lediglich fünf Teilnehmern, die sich ohne Mandat zu Alleinvertretern der Zivilgesellschaft im Petersburger Dialog erklärten, auf Seiten des offiziellen Berlin zu einer einseitigen Absage des Petersburger Dialogs führte, ohne dass die übrigen mehreren Hundert Teilnehmer zu Wort kommen konnten."
„Eine essentielle Plattform der deutsch-russischen Zusammenarbeit und ein unverzichtbares Instrument bei der Schaffung einer konstruktiven Gesprächsebene zwischen Vertretern der Zivilgesellschaft und staatlicher Organe in Russland steht damit in einer Situation nicht zur Verfügung, in der nur Gespräche helfen können, die neuen Spannungen zwischen Ost und West wieder abzubauen", heißt es in einer Presserklärung des Deutsch-Russischen Sozialforums.
„Es kann nicht angehen, dass die Heinrich Böll Stiftung mit Herrn Fücks und Frau Beck und selbst der Deutsch-Russische Austausch sich in den Medien als selbsternannte Sprecher der Zivilgesellschaft präsentieren. Wir, als Stiftung West-Östliche Begegnungen, sehen uns jedenfalls durch sie nicht vertreten", ergänzt Dr. Helmut Domke, Vorsitzender des Vorstands der Stiftung „West-Östliche Begegnungen".
Kritik aus der russischen Seite
Auch auf russischer Seite stößt die Entscheidung auf Unverständnis. „Die Bestrebung, den „Petersburger Dialog" aufzugeben, ist ein klarer Beweis für die Stärkung der Position der „Falken" auf beiden Seiten der Front der
aktuellen Konflikte in Europa. Der Dialog ist so notwendig wie die Luft zum Atmen, vor allem für die Gesellschaft, um die schnelle und gefährliche Wiederbelebung der Gespenster und Konfrontationen des Kalten Krieges zu verhindern", befindet Dr. Ida Kuklina vom Bund der Komitees der Soldatenmütter Russlands.
Viele Unterstützer des Petersburger Dialogs befürchten, dass es ihn bald überhaupt nicht mehr geben könnte. „Das hohe Ansehen des Petersburger Dialogs in Russland läuft durch die jährlich zunehmenden massiven öffentlichen Angriffe auf den Petersburger Dialog Gefahr, so stark beschädigt zu werden, dass dieses äußerst hilfreiche Arbeitsinstrument für den langen Prozess gesellschaftlicher Veränderungen in Russland bald nicht mehr zur Verfügung stehen könnte", befürchtet die Initiatorin des Deutsch-Russischen Sozialforums Anne Hofinga.
Genau das wollen die Befürworter der Veranstaltung verhindern. „Im Rahmen der Arbeitsgruppe „Kirchen in Europa" konnten Vertreter der
orthodoxen, katholischen und evangelischen Kirchen seit ihrer Gründung im Jahr 2007 einen offenen, ehrlichen und von gegenseitiger Wertschätzung geprägten Dialog führen. Wenn es den Petersburger Dialog nicht gäbe, müsste man ihn gerade jetzt ins Leben rufen", heißt es in einer Erklärung der Arbeitsgruppe „Kirchen in Europa".
„Es ist offensichtlich, dass ein bestimmter Teil der deutschen Elite am Dialog mit Russland überhaupt nicht interessiert ist. Gerade in der Zeit, wenn jedes vermittelnde Wort Gold wert ist, wollen deutsche Politiker und gesellschaftliche Aktivisten nicht nach Sotschi fahren, um einfach zu sprechen und über gegenseitige Uneinigkeiten zu diskutieren. Anstatt das symbolische Kapital in die Unterstützung des Dialogs zu investieren, haben diese Aktivisten in dessen Bruch investiert, kommentiert Michail Tjiurkin, Kolumnist des Internetportals „Newskoe Wremja".
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