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Die Anschuldigung
Die ganze Trauergemeinde, ohnehin schon gelähmt vor Schmerz, war zusätzlich aufgewühlt von einem Gerücht aus dem Umfeld der Familie Gecaj, das der «SonntagsBlick» tags zuvor verbreitet hatte. Paul Spirig habe seine Schülerin Besarta sexuell missbraucht und der Vater mit diesem Mord die Ehre der Familie wieder herstellen müssen. Dieser Verdacht machte das Opfer zum Täter und den Mord – aus Sicht des Täters – zu einer Art Notwehr. Der Schulleiter war so fassungslos darob wie die Familie selber. Es folgte zwar rasch ein Dementi der Polizei, doch die üblen Gerüchte frassen sich weiter durch die Stadt und verstummten auch dann nicht wirklich,
als die Polizei nach der Einvernahme von Besarta offiziell erklärte, dass tatsächlich ein sexueller Missbrauch stattgefunden hatte – aber nicht durch den Lehrer, sondern durch Ded Gecaj, den eigenen Vater.
Mit grösster Wahrscheinlichkeit muss Paul Spirig auch von diesem Missbrauch erfahren haben – von Besarta selber. Ob es tatsächlich so war, das weiss auch Andy Prinzing nicht mit letzter Sicherheit. Doch für ihn steht fest, dass hier das Mordmotiv liegt: Der Vater wollte keinen Mitwisser dulden, der ihn auffliegen lassen konnte. Denn der Missbrauch eines eigenen Kindes gilt unter Albanern als das schändlichste aller Verbrechen.
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Dieses Urteil hat viel Bitterkeit hinterlassen in St. Gallen, auch weil es in grossem Widerspruch zu den Fakten stand, die das St. Galler Bezirksgericht im Prozess gegen Ded Gecajs Ehefrau Roza wegen Verletzung der Erziehungspflichten eruiert hatte.
In jenem Verfahren hatte Besarta offenbart, dass sie seit dem zehnten Lebensjahr von ihrem Vater missbraucht worden war, zeitweise täglich, während die Mutter auf Verwandtenbesuch in Kosovo war.
Das Magazin Ein Mord, der die Schule veränderte