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19.01.2005
Erzbischof von Kirkuk: "Christen sollen vom Wählen abgehalten werden"
Louis Sako im STANDARD-Gespräch zu den Hintergründen des Entführungsfalls Casmoussa
Erzbischof Louis Sako aus Kirkuk sieht politische Hintergründe für die Entführung seines Kollegen Casmoussa.Von Gudrun Harrer
Nachlese
Entführter Erzbischof frei
Mossul/Kirkuk/Wien - Als gegen die Christen gerichteten Einschüchterungsversuch, um diese an der Teilnahme an den Wahlen abzuhalten, bezeichnet der chaldäische Erzbischof Louis Sako, telefonisch in seinem Bischofssitz in Kirkuk erreicht, die kurzzeitige Entführung seines Bischofskollegen von Mossul, Basile Georges Casmoussa. Die Verschleppung sei "politisch", sagte Sako, der noch vor der Freilassung Casmoussas am Dienstagmittag mit dem STANDARD sprach, dabei gehe es nicht um Geld wie in anderen Fällen.
Erzbischof Casmoussa war am Montag in Mossul von drei Autos gestellt und anschließend verschleppt worden, sein Fahrer wurde nicht mitgenommen, die Täter waren nicht vermummt. Casmoussa habe ihm vor wenigen Tagen erzählt, so Sako, dass er von "Arabern" aufgesucht worden war, die von ihm verlangten, dafür zu sorgen, dass sich in dem 25.000-Seelen-Städtchen Karakosh die christlichen und kurdischen Parteien vom Wahlkampf zurückzögen. Casmoussa habe dies verweigert. Die Entführung könnte damit zu tun haben.
In Kirkuk war am Dienstag für die Freilassung gebetet worden; in Mossul, so Sako, trauen sich die Christen nicht mehr in die Kirchen, sie würden auch kaum zu den Wahlen gehen. Sako, selbst aus Mossul, nahm am Dienstag mit Stämmen aus der Umgebung Kontakt auf, um ihre Hilfe bei der Freilassung zu erbitten. Es heißt, Casmoussa kam ohne Zahlungen frei, obwohl Forderungen gestellt worden waren.
Bischof Sako bezeichnet die Situation im Irak als sehr schlecht, ist aber optimistisch, was die Zeit nach den Wahlen angeht. Im Rahmen des Wahlkampfs finde ein ganz neuer Diskurs in der Gesellschaft statt, die Iraker seien dabei zu lernen, wie man die Freiheit benützt. Eine schiitische religiöse Dominanz, die das Land in Richtung Gottesstaat führen könnte, fürchtet er nicht, denn "der Irak ist nicht der Iran. Die Iraker lehnen die iranische Erfahrung ab." Viele Personen, die auf schiitischen Listen aufgestellt sind, seien in Wahrheit säkular.
Die chaldäische (assyrische) Kirche, der die Erzbischöfe Sako und Casmoussa angehören, ist römisch-katholisch. Wie viele Christen es heute im Irak gibt, ist nicht einfach zu sagen - zwischen 750.000 und einer Million. Es waren einmal an die fünf Prozent, bereits unter Saddam Hussein hatte ein Exodus eingesetzt, jedoch eher aus wirtschaftlichen Gründen. Heute sind die Christen im Irak der Verfolgung durch radikale Islamisten ausgesetzt, Anschläge gab es im Herbst 2004 in Bagdad und Mossul. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2005)
Erzbischof von Kirkuk: "Christen sollen vom Wählen abgehalten werden"
Louis Sako im STANDARD-Gespräch zu den Hintergründen des Entführungsfalls Casmoussa
Erzbischof Louis Sako aus Kirkuk sieht politische Hintergründe für die Entführung seines Kollegen Casmoussa.Von Gudrun Harrer
Nachlese
Entführter Erzbischof frei
Mossul/Kirkuk/Wien - Als gegen die Christen gerichteten Einschüchterungsversuch, um diese an der Teilnahme an den Wahlen abzuhalten, bezeichnet der chaldäische Erzbischof Louis Sako, telefonisch in seinem Bischofssitz in Kirkuk erreicht, die kurzzeitige Entführung seines Bischofskollegen von Mossul, Basile Georges Casmoussa. Die Verschleppung sei "politisch", sagte Sako, der noch vor der Freilassung Casmoussas am Dienstagmittag mit dem STANDARD sprach, dabei gehe es nicht um Geld wie in anderen Fällen.
Erzbischof Casmoussa war am Montag in Mossul von drei Autos gestellt und anschließend verschleppt worden, sein Fahrer wurde nicht mitgenommen, die Täter waren nicht vermummt. Casmoussa habe ihm vor wenigen Tagen erzählt, so Sako, dass er von "Arabern" aufgesucht worden war, die von ihm verlangten, dafür zu sorgen, dass sich in dem 25.000-Seelen-Städtchen Karakosh die christlichen und kurdischen Parteien vom Wahlkampf zurückzögen. Casmoussa habe dies verweigert. Die Entführung könnte damit zu tun haben.
In Kirkuk war am Dienstag für die Freilassung gebetet worden; in Mossul, so Sako, trauen sich die Christen nicht mehr in die Kirchen, sie würden auch kaum zu den Wahlen gehen. Sako, selbst aus Mossul, nahm am Dienstag mit Stämmen aus der Umgebung Kontakt auf, um ihre Hilfe bei der Freilassung zu erbitten. Es heißt, Casmoussa kam ohne Zahlungen frei, obwohl Forderungen gestellt worden waren.
Bischof Sako bezeichnet die Situation im Irak als sehr schlecht, ist aber optimistisch, was die Zeit nach den Wahlen angeht. Im Rahmen des Wahlkampfs finde ein ganz neuer Diskurs in der Gesellschaft statt, die Iraker seien dabei zu lernen, wie man die Freiheit benützt. Eine schiitische religiöse Dominanz, die das Land in Richtung Gottesstaat führen könnte, fürchtet er nicht, denn "der Irak ist nicht der Iran. Die Iraker lehnen die iranische Erfahrung ab." Viele Personen, die auf schiitischen Listen aufgestellt sind, seien in Wahrheit säkular.
Die chaldäische (assyrische) Kirche, der die Erzbischöfe Sako und Casmoussa angehören, ist römisch-katholisch. Wie viele Christen es heute im Irak gibt, ist nicht einfach zu sagen - zwischen 750.000 und einer Million. Es waren einmal an die fünf Prozent, bereits unter Saddam Hussein hatte ein Exodus eingesetzt, jedoch eher aus wirtschaftlichen Gründen. Heute sind die Christen im Irak der Verfolgung durch radikale Islamisten ausgesetzt, Anschläge gab es im Herbst 2004 in Bagdad und Mossul. (DER STANDARD, Printausgabe, 19.1.2005)