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Sammelthread und Infothread Krieg im Irak

  • Ersteller Ersteller jugo-jebe-dugo
  • Erstellt am Erstellt am
15.02.2005

Türkischer Reeder freigelassen
Nach Lösegeldübergabe von "weniger als einer Million Dollar"
Ankara - Zwei Monate nach seiner Entführung im Irak ist ein türkischer Reeder gegen Lösegeld wieder freigekommen.

Die Ehefrau des Geschäftsmanns bestätigte am Dienstag die Zahlung eines Lösegelds, nannte aber keine konkrete Summe. Sie sagte lediglich, es seien weniger als eine Million Dollar gewesen. Ihr Mann sei in der südirakischen Hafenstadt Umm Kasr von Kriminellen entführt worden, die keine politischen oder religiösen Ziele verfolgten. Kahraman Sadikoglu ist einer der reichsten Reeder in der Türkei. Er war Mitte Dezember gemeinsam mit zwei weiteren Türken und einem Leibwächter verschleppt worden. Medienberichten zufolge sollen die Täter 25 Millionen Dollar Lösegeld verlangt haben.

Dem türkischen Außenministerium zufolge wurde der Reeder am Montagabend freigelassen und verbrachte die Nacht auf einem britischen Militärstützpunkt, bevor er nach Bagdad geflogen wurde. Rebellen im Irak haben in den vergangenen Monaten zahlreiche Ausländer entführt, um einen Abzug der US-geführten Truppen und ausländischer Firmen zu erzwingen. Viele kamen wieder frei, mehrere wurden allerdings von aufständischen Moslem-Extremisten getötet. (Reuters)
 
15.02.2005

Heftiges Feuergefecht in Bagdad
Schießerei zwischen US-Soldaten und Aufständischen im Stadtzentrum - Bombenanschlag nördlich von Bagdad
Bagdad/Washington - Im Irak gehen die Anschläge und Gefechte unvermindert weiter. US-Soldaten und bewaffnete Rebellen haben sich am Dienstag in der Hauptstadt Bagdad ein heftiges Feuergefecht geliefert. Der Vizegouverneur der Unruheprovinz Diala, Annan al-Khadran, entging nur knapp einem Attentat.

Die Schießerei in Bagdad dauerte zehn bis 15 Minuten. Danach wurde eine der Hauptverkehrsstraßen im Stadtzentrum von US-Truppen gesperrt, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Bei einem Bombenanschlag nördlich von Bagdad sind nach US-Angaben ein amerikanischer Soldat getötet und drei weitere verletzt worden. Die Männer hätten am Montag nahe Bakuba patrouilliert, als der von Rebellen gelegte Sprengsatz detoniert sei, erklärte die Armee am Dienstag. Der Vizegouverneur der Provinz Diala überlebte ein Attentat. Ein Selbstmordattentäter rammte seinen Autokonvoi in Khalis, 80 Kilometer nördlich von Bagdad, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Bei der Explosion des mit Sprengstoff beladenen Fahrzeugs kam der Attentäter ums Leben, der Vizegouverneur blieb unverletzt. (APA/AP/AFP)
 
16.02.2005

Britischen Soldaten droht Anklage wegen Tötungen
Presse: Leichen der Opfer für gerichtsmedizinische Untersuchungen exhumiert
London - Britische Soldaten könnten laut einem Zeitungsbericht wegen der Tötung irakischer Zivilisten angeklagt werden. Die Tageszeitung "The Independent" veröffentlichte am Mittwoch auf ihrer Titelseite Fotos von sechs Irakern, die nach Angaben ihrer Familien von britischen Truppen im Zeitraum von August 2003 bis Jänner 2004 im Südirak getötet wurden. In zwei Fällen werde es wohl zu einer Anklage kommen, ein weiterer könnte zur Zahlung einer Entschädigung führen, berichtete die Zeitung. Wie viele Soldaten insgesamt involviert sind, ließ das Blatt offen. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums gab keine Stellungnahme zu dem Bericht ab.


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bezahlte EinschaltungenDie Leichen der sechs Opfer wurden nach Angaben der Zeitung vom Militär inzwischen für gerichtsmedizinische Untersuchungen exhumiert. Eines der Opfer, ein 17-jähriger Iraker, sei vor seinem Haus in Basra erschossen worden, nachdem bei einer Hochzeitsfeier im Nachbarhaus Freudenschüsse in die Luft abgefeuert worden seien.

Großbritannien ist Hauptverbündeter der USA im Irak-Krieg, aber die britische Bevölkerung ist mehrheitlich gegen den Militäreinsatz. Im Zusammenhang mit Angriffen auf irakische Zivilisten hat die britische Armee mehr als 130 Untersuchungen eingeleitet. Vor einem britischen Militärgericht in Osnabrück müssen sich derzeit drei Soldaten wegen Misshandlung irakischer Gefangener verantworten. (APA/Reuters)
 
16.02.2005

Schiiten-Allianz soll sich auf al-Jaafari als Premier geeinigt haben
SCIRI gab nach - Aber Chalabi lässt nicht locker - BeobachterInnen sehen Schlüsselrolle der Kurden

Ibrahim al-Dschaafari wird als gemäßigter und kompromissbereiter Politiker eingeschätzt. Bagdad - Nachdem sich die Wahlsieger der vereinigten Schiiten-Allianz im Irak offensichtlich auf den derzeitigen Vizepräsidenten Ibrahim al-Jaafari als künftigen Regierungschef geeinigt haben, zogen sich fast alle anderen Bewerber zurück. Muwaffak al-Rubaie, der ebenfalls als Kandidat der religiös orientierten Vereinigten Irakischen Allianz einen Sitz in der konstituierenden Nationalversammlung errungen hat, sagte am Mittwoch in Bagdad: "Die Kandidaten der Allianz werden sich morgen und übermorgen treffen, um noch einmal über diese Frage zu sprechen."

Jaafari ist der Vorsitzende der schiitischen Dawa-Partei und seit Juni 2004 Stellvertreter des Übergangs-Präsidenten Ghazi al-Yawar. Kurdenführer Jalal Talabani, Chef der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), ist inzwischen als möglicher Staatspräsident im Gespräch.

Der Premier-Kandidat des zur Vereinigten Allianz gehörenden pro-iranischen "Obersten Rats für die Islamische Revolution" (SCIRI), Übergangs-Finanzminister Adil Abdul Mahdi, hat sich zu Gunsten Jaafaris aus dem Rennen zurückgezogen. Irakische Zeitungen berichteten am Mittwoch, der SCIRI erhalte als Kompensation für seinen Verzicht auf das Amt des Ministerpräsidenten mehr Ministerposten als zunächst vorgesehen. Einzig der wegen seiner einst so engen Beziehungen zum Pentagon umstrittene Vorsitzende des "Irakischen Nationalkongress" (INC), Ahmed Chalabi, bemüht sich dem Vernehmen nach immer noch um eine Mehrheit für seinen Anspruch auf die Ministerpräsidentschaft. (APA/dpa)
 
16.02.2005

Dollars säckeweise verschleudert
Ex-Mitarbeiter vor U-Ausschuss des US-Senats: Zivilverwaltung hat keine Belege über knapp neun Milliarden Dollar
Links
U.S. Said to Pay Iraq Contractors in Cash

auf ABC (mit Foto)

Lawmakers Told About Contract Abuse in Iraq

in der "Washington Post"
Washington/Bagdad - Die frühere US-Zivilverwaltung im Irak hat Millionen von Dollar verschwendet und fast neun Milliarden Dollar (6,92 Milliarden Euro) ohne Nachweis an den damaligen irakischen Regierungsrat weitergegeben. Das gab ein früherer Mitarbeiter der Behörde vor einem Untersuchungsausschuss des US-Senats an.

Die Zivilverwaltung, die unter Leitung von Paul Bremer von Juni 2003 bis Juni 2004 die Geschäfte im Irak nach dem Sturz von Saddam Hussein führte, habe in "Wildwest-Manier säckeweise Geld" verschleudert, gab Franklin Willis an. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.2.2005)
 
16.02.2005

"Niemand soll in den Irak reisen"
Entführte Jounalistin Giuliana Sgrena ruft in einer Videobotschaft die italienische Bevölkerung zu Demonstrationen für einen Truppenabzug auf

Der italienische TV-Sender RAI strahlte das Video aus.Kopf des Tages
Journalistin Giuliana Sgrena

Gegen die Militarisierung von Information

Rom - Die Videoaufnahme, in der die am 4. Februar in Bagdad entführte Journalistin Giuliana Sgrena unter Tränen und mit gefalteten Händen für den Abzug der italienischen Truppen aus dem Irak plädiert, schockt Italien.

RAI sendet Video


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bezahlte EinschaltungenMillionen von Zuschauern sahen das vom Staatsfernsehen RAI gesendete Band, in dem die sichtbar mitgenommene Reporterin zitternd um das Ende der italienischen Irak-Mission fleht. "Bitte helft mir, den Truppenabzug zu fordern!", sagte die weinende Sgrena in einem Video.

Sgrena sprach teils auf Italienisch, teils auf Französisch. Hinter der Journalistin war ein Spruchband mit der Aufschrift "Mujaheddin ohne Grenzen" zu sehen.

Im Hintergrund sprachen die Entführer in irakischem Dialekt. Sgrena, Reporterin der prokommunistischen Tageszeitung "Il Manifesto", bat die Italiener um Hilfe. "Das ganze italienische Volk muss mir helfen. Die Iraker wollen keine Besatzung, sie wollen keine Truppen und keine Ausländer. Niemand sollte in den Irak reisen, nicht einmal die Journalisten, niemand", sagte die 56 Jahre alte Reporterin.

Erstes Lebenszeichen

Das Video, das der Redaktion der Nachrichtenagentur Associated Press in Bagdad übergeben worden war, löste Bestürzung, aber auch Hoffnung in Italien aus. "Giuliana ist sehr mitgenommen, aber wenigstens wissen wir, dass sie noch am Leben ist", so Pier Scolari, Lebensgefährte der Journalistin.

"Verbrechen"

Scolari plädierte für den sofortigen Abzug der rund 3.000 italienischen Soldaten, die seit Juni 2003 im Südirak stationiert sind. "Ich fordere den Truppenabzug, nicht weil ich Giuliana retten will, sondern weil die italienische Mission im Irak ein Verbrechen ist", so Scolari. "Es ist offensichtlich, dass Giuliana gezwungen ist, diese Worte zu sagen", meinte er.

Die Eltern der Journalistin erklärten sich schwer besorgt. "Wir sind geschockt, die Haftbedingungen müssen für Giuliana sehr schwer zum Aushalten sein", betonte der Vater der Journalistin, Franco Sgrena. Er hatte am Dienstag um Nachrichten von seiner Tochter geben.

Abzugsforderungen

Die altkommunistische Partei "Rifondazione comunista" sowie Sprecher der Grünen forderten das sofortige Ende der Irak-Mission. Erst am Dienstag hatte der italienische Regierungschef Silvio Berlusconi das Parlament aufgefordert, für das Dekret zu stimmen, das die Neufinanzierung der italienischen Irak-Mission vorsieht. Die Abstimmung im Parlament ist noch am heutigen Mittwoch geplant. "Die italienische Mission im Irak muss fortgesetzt werden. Jetzt aufzugeben, bedeutet, die Hoffnungen der irakischen Bevölkerung zu verraten", sagte Berlusconi.

Demonstration

Die Tageszeitung "Il Manifesto", für die Sgrena in den Irak gereist war, plant am kommenden Samstag in Rom eine Demonstration für die Freilassung der Journalistin. Der Demonstration wollen sich Anhänger humanitärer Organisationen, religiöse Gruppen und Frauenverbände anschließen. (APA)
 
17.02.2005

Mehr als dreißig Tote binnen eines Tages bei Anschlägen und Kämpfen
Sieben irakische Sicherheitskräfte bei Gefechten in Samarra getötet - Autobombenanschlag in Mossul - Acht Tote nördlich von Bagdad entdeckt
Bagdad/Baakuba - Bei Kämpfen und Anschlägen im Irak sind binnen eines Tages erneut mehr als dreißig Menschen ums Leben gekommen. Allein in der Stadt Baakuba im Nordosten der Hauptstadt Bagdad starben am Mittwoch neun Menschen bei Gefechten, wie Ärzte und Sicherheitskräfte mitteilten. Sieben Mitglieder der irakischen Sicherheitskräfte wurden bei den heftigsten Auseinandersetzungen der vergangenen Wochen in Samarra getötet, wie ein irakischer Offizier sagte. In Duluiyah seien drei irakische Soldaten bei einem Sprengstoffanschlag umgekommen, teilte das Militär mit; zwei weitere Soldaten seien bei dem Anschlag am Morgen verletzt worden.

Autobombenanschlag in Mossul

In Mossul wurden vier US-Soldaten bei einem Autobombenanschlag verletzt. Der Sprengsatz sei in einem geparkten Auto versteckt gewesen und in dem Moment explodiert, als ein Militärkonvoi vorbeigefahren sei, teilte die US-Armee mit. Auf vier wichtige Ölleitungen wurden Sabotage-Anschläge verübt. Einem Vertreter des irakischen Ölministeriums zufolge lieferten die Pipelines aus dem Nordirak Rohöl in die Raffinerien von Baiji und Dura.

Acht Tote nördlich von Bagdad entdeckt

Etwa siebzig Kilometer nördlich von Bagdad wurden acht Tote entdeckt, bei denen es sich zum Teil vermutlich um Ausländer handelte. Die Unbekannten seien erschossen worden, teilte die Polizei mit; eine der Leichen habe eine durchgeschnittene Kehle. Nach Angaben eines Arztes starben die acht Menschen vor mehr als drei Tagen. Eine der Leichen habe "weiße Haut" und trage eine Tätowierung an der Schulter; er glaube, dass es sich bei vier Toten um Ausländer handle, sagte der Arzt. (APA)
 
17.02.2005

Trotz Appell der Entführten: Italiens Truppen bleiben
Außenminister Fini nach dramatischer Videobotschaft von Giuliana Sgrena: Keine Änderung an Irak-Strategie

Seit 28. Jänner in der Hand von Entführern im Irak: die italienische Journalistin Giuliana Sgrena auf dem Video, das am Mittwoch in Italien ausgestrahlt wurde. Gerhard Mumelter aus Rom
Eine Videobotschaft der im Irak entführten Journalistin Giuliana Sgrena hat am Mittwoch in der italienischen Öffentlichkeit tiefen Eindruck hinterlassen. Millionen sahen das Band, in dem die Reporterin um das Ende der italienischen Irak-Mission zur Rettung ihres Lebens fleht.


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bezahlte EinschaltungStark abgemagert und sichtlich mitgenommen fleht Giuliana Sgrena um ihr Leben. Auf einem Video, das am Mittwoch vom italienischen Staatsfernsehen RAI ausgestrahlt wurde, fordert die Journalistin der prokommunistischen Tageszeitung Il Manifesto den Abzug der "Besatzungstruppen" aus dem Irak. Mehrmals verbirgt sie weinend ihr Gesicht in beiden Händen. Sie ruft die Italiener auf, Druck auf die Regierung für einen Rückzug des italienischen Kontingents aus dem Irak auszuüben.

"Bitte, helft mir"

"Bitte, helft mir", fleht die mit einem hellgrünen Kittel bekleidete Journalistin mehrmals. Sie sei immer gegen den Krieg gewesen, versichert die am 28. Jänner entführte Korrespondentin. Dann wendet sie sich direkt an ihren Lebensgefährten Pierre Scolari: "Pierre, du weißt, was ich für die Bombenopfer, die verletzten Frauen und Kinder hier im Irak alles getan habe. Bitte, publiziere die Bilder. Nur du kannst mich retten!", bittet Sgrena in dem ergreifenden Appell.

Sgrena sprach teils Italienisch, teils Französisch. Hinter der Journalistin war ein Spruchband mit der Aufschrift "Mudjahedin ohne Grenzen" zu sehen. Im Hintergrund sprachen Männer in irakischem Dialekt. Auf dem Video selbst waren keine anderen Personen zu sehen.

Scolari erklärte in einer ersten Stellungnahme, positiv sei vor allem der Umstand, dass seine Lebensgefährtin noch lebe. "Sie wirkt stark mitgenommen. Aber die Tatsache, dass die Entführer ein Video geschickt haben, ist ein Zeichen dafür, dass sie an Verhandlungen interessiert sind. Wir müssen das trotz der dramatischen Situation als positives Zeichen werten", so Scolari. Sgrenas Vater Franco zeigte sich erschüttert: "Giuliana ist eine starke Frau. Aber offenbar ist sie mit den Nerven am Ende."

Rom schließt Truppenabzug aus

Die Regierung in Rom hat eine Änderung ihrer Mission im Irak ausgeschlossen. Außenminister Fini betonte, dass sich trotz Sgrenas Appell nichts an der Irak-Strategie der Regierung Berlusconi ändern wird. Die Regierung werde sich jedoch mit allen Mitteln für die Freilassung der Reporterin einsetzen.

"Es freut uns, dass Sgrena am Leben ist, trotzdem bleibt die Sorge um die künftige Entwicklung dieses Geiseldramas groß. Die Regierung wird sich weiterhin für die Freilassung der Gefangenen einsetzen, ohne jedoch ihre politische und diplomatische Strategie zu ändern", betonte Fini.

Oppositionschef Romano Prodi forderte die Regierung Berlusconi zu einem verstärkten Einsatz zur Freilassung der Reporterin auf, die auch als Islam-Expertin und Schriftstellerin Ansehen erlangt hat. (APA/red/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.2.2005)
 
17.02.2005

Lügendetektortest mit Bravour bestanden
Der irakische Atomchef Jafar Dhia Jafar wurde nach seiner Flucht aus Bagdad monatelang von den Amerikanern verhört
Siehe dazu auch:

"Zuerst haben wir gelogen, später die Amerikaner"
Interview mit Jafar Dhia Jafar, "Vater" des geheimen irakischen Atomprogramms
Jafar Dhia Jafar ist ein freier Mann. Den Lügendetektortest, dem ihn die CIA während der monatelangen Verhöre von Sommer bis Spätherbst 2003 unterzog, hat er laut Amerikanern mit Bravour bestanden, erzählt er. Mir beantwortete er viele Stunden lang Fragen, freundlich und geduldig, anders als ihn die IAEO-Inspektoren von 1991 bis 2003 manchmal erlebten.


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bezahlte EinschaltungDer irakische Atomphysiker war mit Frau und Tochter kurz vor dem Fall Bagdads über Syrien in einen Golfstaat geflüchtet, dort stellte er sich den USA zur Verfügung. Jafar war der Kopf des gesamten geheimen irakischen Atomwaffenprogramms. Nach dem Golfkrieg 1991 wurde er mit der Wiederherstellung des zerstörten Elektrizitätssektors im Irak beauftragt.

Jafar, Jahrgang 1942, machte sein Doktorat in Nuklearphysik mit 23 Jahren, in Birmingham. In Großbritannien hatte er bereits vorher einige Internatsjahre verbracht, gehörte doch seine Familie zu den vornehmsten und reichsten des Irak. Der Vater bekleidete in der Monarchie Ministerämter, seine Mutter stammte aus der Aga-Khan-Familie. Nach dem Studium verbrachte Jafar ein paar Jahre im Irak, um bald nach der Machtübernahme der Baath-Partei wieder das Land zu verlassen: Jafar, damals mit einer Britin verheiratet, war kein Baathist, er trat der Partei auch später nie bei.

Aber 1975, nach einem fünfjährigen Aufenthalt in Genf bei CERN (Conseil Européen pour la Recherche Nucléaire), der der Ausgangspunkt für eine große internationale Wissenschafterkarriere hätte werden können, ging er wieder heim. Dort geriet er bald in Schwierigkeiten: Als 1979 sein Kollege Hussein Shahristani wegen angeblicher Kontakte zu Schiitenparteien verhaftet wurde, bombardierte Jafar Saddam Hussein mit Eingaben und pflegte demonstrativ den Kontakt mit der Frau des Verhafteten. Im Jänner 1980 wurde er selbst festgenommen, bis September 1981 war er zuerst im Gefängnis, danach in Hausarrest.

Nach dem Angriff der israelischen Luftwaffe auf den Reaktor Osirak, der kurz vor der Fertigstellung stand, beauftragte ihn Saddam mit dem Bau einer Atomwaffe. Jafar bleibt dabei, dass es vorher im Irak kein Atomwaffenprogramm - das heißt: keine politische Entscheidung, keinen Projektplan, kein Budget, keine Organisation - gegeben hat, vor 1981 "war alles nur Gerede". Es habe auch nicht, wie von Israel behauptet, Pläne gegeben, in Osirak Plutonium herzustellen. Er beschreibt, wie nach dem Angriff 1981 irakische Wissenschafter in das Atomprogramm drängten, selbst für Regimeskeptiker wurde es zur patriotischen Pflicht. Jafars Atom-Story erschien vor Kurzem auf Norwegisch unter dem Titel "Oppdraget" ("Der Auftrag", Spartacus). (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.2.2005)
 
17.02.2005

"Zuerst haben wir gelogen, später die Amerikaner"
Jafar Dhia Jafar, der Vater von Saddams Atom­programm im STANDARD-Interview: Anlagen wurden 1991 zerstört

Jafar Dhia Jafar: "Wir waren weit entfernt von einer Bombe."Siehe dazu auch:

Den Lügendetektortest mit Bravour bestanden
Der irakische Atomchef Jafar Dhia Jafar wurde nach seiner Flucht aus Bagdad monatelang von den Amerikanern verhört
Jafar Dhia Jafar war der "Vater" des geheimen irakischen Atomprogramms bis 1991. Danach hat es keine verbotenen nuklearen Aktivitäten mehr im Irak gegeben, sagt er im Gespräch mit Gudrun Harrer.


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bezahlte EinschaltungenSTANDARD: Dr. Jafar, eines der stärksten Argumente der USA für den Irakkrieg 2003 war das angeblich wieder erstarkte Bemühen Saddam Husseins um Atomwaffen. Heute hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass es nach dem Golfkrieg 1991 im Irak kein Atomprogramm mehr gegeben hat. Sie kritisieren in Ihrem Buch aber nicht nur die USA, sondern auch die mit den Inspektionen im Nuklearbereich betraute Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) - die sich im März 2003 doch um mehr Zeit für die Inspektoren bemühte.

Jafar: Die IAEO wäre in der Lage gewesen, dem UNO-Sicherheitsrat die nukleare Abrüstung des Irak zu bescheinigen. Aber sie hat es vorgezogen, immer einen letzten Rest offen zu halten, und sie hat die von US-Politikern gemachten Statements nicht klar genug angefochten, von denen sie wusste, dass sie inkorrekt oder simple Lügen waren.

In genauen Darstellungen an die IAEO haben wir die Vorwürfe - die angeblichen Urankäufe in Niger, die Aluminiumröhren und Ähnliches - einen nach dem anderen als Unsinn entkräftet: Warum wurde das nie publik gemacht? Es gab und gibt etliche Untersuchungsausschüsse - je zwei in den USA und in Großbritannien, in der UNO wird "oil for food" untersucht. Es sollte auch das untersucht werden.

STANDARD: Aber hat nicht gerade die Irak-Geschichte - das geheime Atomprogramm vor 1991, das nur unter Zwang zugegeben wurde - dazu geführt, dass die IAEO keine Persilscheine mehr ausstellt? Seitdem heißt es: "Wir sehen nichts", nicht: "Da ist nichts."

Jafar: Am Anfang haben wir gelogen, am Ende haben sie, die Amerikaner und die Briten, gelogen, weil sie den Krieg wollten. Wir haben gelogen, und wir haben dafür bezahlt. Auch sie sollten für ihre Lügen bezahlen. Uns glaubt man nicht, auch wenn wir die Wahrheit sagen.

Aber einem Bush oder einem Blair, denen wird geglaubt, sie sollten nicht lügen. Und doch hat die britische Regierung wenige Tage vor Kriegsbeginn das Parlament über ihr Irak-Dossier vom September 2002 abstimmen lassen, das zu jenem Zeitpunkt, 700 Inspektionen später, völlig hinfällig war. Und ja, die IAEO hat um ein paar Monate mehr Zeit gebeten - um zu einem "zuverlässigen Urteil" zu kommen. Ich würde gerne wissen, was noch hinzukommen hätte müssen, um das Urteil zuverlässiger zu machen, als es schon war.

STANDARD: Bleibt die Frage, warum der Irak 1991 und später gelogen hat.

Jafar: Niemand hat uns Wissenschafter in dieser Frage konsultiert. Als im März 1991 der Entwurf der späteren UNO-Resolution 687 bekannt wurde, habe ich sogar einen Plan entworfen, wie man die Abrüstungsklausel für den Atombereich erfüllt. Ich wusste sofort, bei dieser Art von Inspektionen, die da auf uns zukommen, wird nichts der Prüfung standhalten, außer der ganzen Geschichte. Ich habe den Versuch, die Wahrheit zu verbergen, für naiv und simplizistisch gehalten.

Aber Hussein Kamel (Saddams Schwiegersohn und Rüstungschef) reagierte verärgert, er meinte, man kann den wahren Zweck der Anlagen, die ja auch vom Krieg weit gehend zerstört waren, verschleiern und die Ausrüstung verstecken, und gab den Befehl dazu, sicher nach Absprache mit Saddam.

Nach meinem Einwand, wir können die Maschinen nicht verstecken, bekam ich die Anweisung, alles an die Speziellen Republikanischen Garden auszuhändigen. Anfang Juli 1991, als die Inspektoren den Sachen in den Militärcamps doch auf die Spur kamen, ordnete Saddam die Zerstörung an.

Tarik Aziz entwickelte dann vier Prinzipien für den Umgang mit den Inspektionen, und deren erstes war, die irakischen Verstöße gegen internationale Verpflichtungen herunterzuspielen, um noch größeren Schaden für die Glaubwürdigkeit des Irak abzuwenden. Aber das war sinnlos: Dass wir mit unseren Aktivitäten gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen hatten, war ja bereits klar. Vielleicht hat diese Art des Denkens auch kulturelle Wurzeln. Bei uns fehlt das Konzept des Beichtens und der Reinigung.

Aber selbst wenn wir die Ausrüstung wirklich nur versteckt hätten, wäre es angesichts der Inspektionen und des Überwachungsregimes der IAEO unmöglich gewesen, das Programm zu reaktivieren. Das wäre aber ohnehin nicht geschehen: Diese Waffen waren als Abschreckung im regionalen Kontext gedacht. Saddam Hussein wusste, wenn man sich im offenen Krieg mit den USA befindet, sind sie sinnlos.

Deshalb wurden ja auch die chemischen und biologischen Waffen, die 1991 verfügbar waren, nicht eingesetzt. Was auch beweist, dass Saddam Hussein sehr wohl abgeschreckt, eingedämmt werden konnte.

STANDARD: Sie waren nie bei der Baath-Partei, Sie saßen unter Saddam im Gefängnis. Und doch haben Sie versucht, für ihn eine Atomwaffe zu bauen.

Jafar: Nach der Zerstörung unseres Forschungsreaktors durch die Israelis 1981 hat mich Saddam aus dem Arrest holen lassen und mir den Befehl gegeben: Das war die Geburtsstunde des Programms. Man hat spekuliert, dass ich Ja gesagt habe, um frei zu kommen, aber das stimmt nicht.

Erstens war ich davon überzeugt, dass Saddam die Bombe zur Abschreckung haben wollte, sonst wäre ich anders dazu gestanden. Er hat Chemiewaffen eingesetzt, aber er war einer, der überleben und an der Macht bleiben wollte, da setzt man keine Atombombe ein.

Zweitens hatten wir, als wir anfingen, eine lange Phase vor uns, während der wir nur an der Uran-Anreicherung arbeiten würden. Wir waren weit entfernt von einer Bombe, wenn wir überhaupt je eine haben würden - denn dass wir die Anreicherung meistern, war keineswegs garantiert. Und noch etwas: Ein Naturwissenschafter ist selten ein Philosoph, und schon gar nicht, wenn ihm eine technische Herausforderung gestellt wird. Da geht es nur mehr darum, sie zu bewältigen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.2.2005)
 
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