05.03.2005
Bush bedauert Beschuss von Ex-Geisel
Geschwächte Guiliana Sgrena von Berlusconi begrüßt - Die Journalistin berichtet von "Kugelhagel" auf ihren Wagen
Rund 200.000 Menschen haben am 19. Februar in Rom für die Freilassung der italienischen Journalistin demonstriert.
Guiliana Sgrena bei ihrer Ankunft am Flughafen in Rom.Links
Il Manifesto
Al Jazeera
Rom - Nach einmonatiger Geiselhaft im Irak ist die italienische Journalistin Giuliana Sgrena am Samstagvormittag in einem Ambulanz-Flugzeug nach Rom zurückgekehrt. Am Flughafen Ciampino wurde die 56-Jährige von ihrer Familie, Ministerpräsident Silvio Berlusconi und zahlreichen Politikern und Kollegen empfangen. Sie sei während ihrer Entführung stets gut behandelt worden, waren die ersten Worte der Reporterin, die schwer angeschlagen wirkte. Trauer herrschte um den unmittelbar nach der Rettung der Italienerin von US-Soldaten getöteten italienischen Geheimdienstmann Nicola Calipari.
Gebrochenes Schlüsselbein
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bezahlte EinschaltungDie beim Beschuss durch amerikanische Soldaten verletzte Reporterin, die am Freitag nach mehrwöchigen Verhandlungen freigekommen war, verließ gestützt auf zwei Männer das Flugzeug. Sie habe das Schlüsselbein gebrochen und "ein schlimm zugerichtetes Gesicht", sagte ihr Arbeitgeber Gabriele Polo, Chefredakteur der römischen Zeitung "Il Manifesto".
Sgrena wurde in einem Militärkrankenwagen in eine Klinik gebracht, wo sie - wie bereits am Freitagabend in Bagdad - erneut am Schlüsselbein operiert werden sollte. Der auf dem Weg zum Bagdader Flughafen am Freitag getötete Calipari, der Sgrena mit seinem Körper geschützt hatte, soll Medienberichten zufolge am späten Abend nach Italien gebracht werden. Der Zustand eines weiteren Geheimdienstmannes, der bei der Schießerei schwer verletzt worden war, sei weiter kritisch, hieß es.
"Regelrechter Kugelhagel"
Giuliana Sgrena berichtete nach ihrer Ankunft von einem regelrechten "Kugelhagel" auf ihr Fahrzeug. Ihr Wagen sei unter Beschuss geraten, "als ich gerade mit Nicola Calipari sprach", dem italienischen Geheimdienstmitarbeiter, der bei dem Vorfall ums Leben kam, sagte Sgrena dem italienischen Fernsehsender RaiNews24 am Samstagmittag am Telefon. Das Auto sei "unter diesen Umständen" nicht sehr schnell gefahren, aber es sei weiter geschossen worden. "Der Fahrer konnte nicht einmal erklären, dass wir Italiener sind", sagte die Reporterin, die auch für die deutsche Wochenzeitung "Die Zeit" arbeitet. Calipari starb, als er sich schützend vor die Journalistin warf.
Sgrenas Lebensgefährte Pier Scolari sagte vor dem römischen Militärkrankenhaus Celio, "die Amerikaner und die Italiener wussten Bescheid, dass der Wagen vorbeikommen würde". Das Fahrzeug sei nur noch 700 Meter vom Flughafen in Bagdad entfernt gewesen, als US-Soldaten geschossen hätten - "sie hatten also schon alle Kontrollen passiert". Der italienische Präsidialrat habe den Vorfall "live mitverfolgt", weil er mit einem der italienischen Geheimdienstmitarbeiter in dem Wagen telefoniert habe. "Dann haben die amerikanischen Militärs die Mobiltelefone beschlagnahmt und ausgemacht", sagte Scolari.
Aufklärung versprochen
Die US-Streitkräfte erklärten, das Fahrzeug mit Sgrena und den Geheimdienstbeamten sei mit hoher Geschwindigkeit auf eine Straßensperre nahe des Flughafens zugefahren und habe trotz zahlreicher Warnsignale nicht angehalten. Deshalb hätten Soldaten auf die Motorhaube des Fahrzeugs geschossen. US-Präsident George Bush bedauerte den Vorfall und sagte dem italienischen Ministerpräsident Silvio Berlusconi eine vollständige Aufklärung des Vorfalls zu.
Auch US-Außenministerin Condoleeza Rice hat am Samstag mit dem italienischen Außenminister Gianfranco Fini telefoniert und Italien ihr Beileid für die Tötung des italienischen Geheimdienstbeamten Nicola Calipari durch US-Soldaten im Irak ausgesprochen. Rice versprach ihren vollen Einsatz zur Klärung der Hintergründe, die zum Tod Caliparis kurz nach der Freilassung der italienischen Journalistin Giuliana Sgrena geführt haben.
"Die US-Behörden arbeiten mit der italienischen Regierung zusammen, um die Hintergründe zu klären, die zum Tode des Funktionärs des Militärgeheimdienstes Sismi, Nicola Calipari, geführt haben", betonte der US-Botschafter in Rom, Mel Sembler. Der Botschafter war am Freitagabend vom italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi zu einem Gespräch einbestellt worden. Berlusconi forderte von den USA Erklärungen über Caliparis Tod. (APA/dpa/ag./ANSA)