Ein Präsident, der mit der Macht der Begnadigung spielt, als sei sie ein persönliches Privileg
In Donald Trumps Amerika sind Grenzen verschwommen, und das Undenkbare gehört zur politischen Routine. Ein Präsident, der mit der Macht der Begnadigung spielt, als sei sie ein persönliches Privileg, schafft eine Atmosphäre, in der Justiz und Moral zur reinen Verhandlungssache werden.
Jüngstes Beispiel dieser schamlosen Normalisierung ist die angekündigte Begnadigung von Scott Jenkins, dem ehemaligen Sheriff von Culpeper County, Virginia. Jenkins wurde im März wegen schwerer Bestechung und Betrugs zu zehn Jahren Haft verurteilt. Seine Tat: die Verleihung von Hilfssheriff-Abzeichen gegen üppige Bargeldzahlungen von Geschäftsleuten. Ein Vorgang, der einst als unzweifelhaft korrupt galt, wird nun von Trump umgedeutet – zur politischen Hexenjagd stilisiert, zu einer tragischen Heldenstory verklärt.
Trump nannte Jenkins auf seiner Plattform Truth Social einen „wunderbaren Menschen“, Opfer eines „korrupten und politisch instrumentalisierten Justizministeriums unter Biden“. Die Realität erscheint plötzlich verhandelbar, Schuld wird zu Unschuld erklärt, und jene, die noch an Rechtsstaatlichkeit glauben, stehen staunend vor diesem Schauspiel politischer Enthemmung.
Dies ist kein Einzelfall. Der Präsident, der Ross Ulbricht, Gründer der berüchtigten Drogenplattform Silk Road, begnadigte, sieht offenbar keine Grenzen mehr. Die Begnadigung Michele Fiores, die Gelder, bestimmt für eine Statue zur Ehrung eines ermordeten Polizisten, für private Luxusausgaben zweckentfremdete, ist ein weiterer Beleg für Trumps schrankenlose Gnadenpolitik.
Besonders erschütternd ist jedoch Trumps Umgang mit den Beteiligten am Sturm auf das US-Kapitol vom 6. Januar 2021. Über 1.500 Personen wurden verurteilt oder angeklagt – Trump versprach umfassende Begnadigungen, und so werden Gewalttäter zu Helden einer verkehrten Welt.