Der Mythos vom starken Dollar – warum die US-Wirtschaft in die Krise steuert
Laut westlichen Medien brummt die US-Wirtschaft. Doch während US-Bürger über ihre Kaufkraft jubeln, bekommen Firmen langsam Probleme. Schuld sei das Zentralbanksystem des Landes, denn die FED zögert bei der Zinserhöhung, sagt der Chefanalyst der Bremer Landesbank, Folker Hellmeyer „Und das aus guten Gründen.“ Für ihn liegen die Probleme tiefer.Herr Hellmeyer, nach der Wirtschaftskrise 2009 scheinen sich die USA wieder erholt zu haben. Oder scheint das tatsächlich nur so?
Die USA haben sich erholt. Und sie haben sich erholt, weil enorm interveniert worden ist. Man hat aber keine Strukturreform gemacht. Und das Problem ist, wenn man interveniert und die Intervention dann zurückfährt, dass dann eben die Nachhaltigkeit der wirtschaftlichen Expansion nicht mehr gegeben ist. Und genau das haben wir einmal für das erste Quartal prognostiziert und genau das ist eingetreten. Die US-Wirtschaft ist viel schwächer gewesen, als erwartet.
Und der entscheidende Punkt ist hier, dass diese Schwäche nicht durch Wetter bedingt ist. Sie ist strukturell bedingt, weil man keine Strukturreform in den letzten fünf, sechs Jahren gemacht hat. Ganz im Gegensatz zur Eurozone. Mit anderen Worten, wir dürfen davon ausgehen, dass dieser Schwächeanfall, den wir derzeit sehen und der schon im vierten Quartal absehbar war, deutlicher wird. Weil wir an die Null-Prozent-Marke bei der wirtschaftlichen Expansion kommen. Das wird sich vor diesem Hintergrund fortsetzen, weil es ein strukturelles Phänomen ist.
Nun sagen viele Experten, eigentlich müsste doch jetzt eine Zinserhöhung fällig sein. Die FED zögert damit. Warum macht sie das, Ihrer Meinung nach?
Sie zögert aus sehr guten Gründen. Wenn wir die US-Konjunktur etwas tiefergehender betrachten, dann stellen wir fest, dass seit 2008, vor der Lehmann-Pleite, die Privatverschuldung um 18,5 Prozent gestiegen ist. Die der Studentenkredite ist um 90 Prozent gestiegen. Aber die mittleren Einkommen – und das ist die entscheidende Größe – sind nur nominal um 2,5 Prozent gestiegen. Und insofern können wir hier gar nicht davon ausgehen, dass eine Zinserhöhung nachhaltig stattfinden kann.
Denn dann würde die Wirtschaft vollkommen zum Erliegen kommen, dann würden wir in eine nachhaltige Rezession laufen. Und das sind eben diese strukturellen Defizite, die wir in der US-Wirtschaft haben.
Das war ein Wachstum auf Pump, das war kein Wachstum, das auch nachhaltigen Grundlagen basiert. Und jetzt bricht das eben, ohne weitere Subventionierung durch die FED mit Niedrigzinsen, oder mit Aufkäufen an den Märkten, alles in sich zusammen.
Langsam kippt dann eben auch die Stimmung bei den US-Firmen. Immer mehr Unternehmen in dem Land nehmen ihre Gewinnprognose zurück. Schuld ist daran eben auch der Wechselkurs des Dollars. Ja wohin wandert denn da die US-Wirtschaft?
Die US-Wirtschaft wandert meines Erachtens nach in diesem Jahr auf einem sehr, sehr mageren Wachstumspfad. Wir werden über Prognosen von deutlich unter zwei Prozent Wachstum reden. Und es kann sogar noch schlechter werden, wenn die FED nicht weiter zu kosmetischen Maßnahmen greift. Die Unternehmensentwicklung, die Gewinnentwicklung ist eben auch Ausdruck mehrerer Aspekte: einer Abschwächung der Konjunktur in den USA, aber auch einer vollkommen unbegründeten Aufwertung des US-Dollars.
Am Devisenmarkt wurde sich die Sache nur oberflächlich angeschaut und nie die Qualität der amerikanischen, wirtschaftlichen Expansion. Das ist derselbe Fehler, der vor 2008 gemacht worden ist. In der Bewertung der USA, oder auch Spaniens und Irlands.
Wir lernen also nicht aus der Geschichte. Bei einer Analyse muss man immer auch die Qualität achten und die Qualität ist in den USA äußerst schlecht. Wir haben strukturelle Defizite ohne Ende. Wir haben ein Haushaltsdefizit in diesem Jahr von wahrscheinlich wieder Richtung sechs Prozent der Wirtschaftsleistung. Dort hat man nichts gemacht. Wir haben ein Außenhandelsdefizit. Also wenn unsere Freunde in den USA eines können, dann ist es, mit Defiziten umzugehen.
Nun lassen uns ja viele westliche Medien glauben, den USA gehe es so gut, wie schon lange nicht mehr. Aber schaut man sich zum Beispiel die Staatsverschuldung auch im Vergleich zu anderen Ländern an, dann sieht die Realität ja schon wieder anders aus, oder?
In der Tat. Wir haben eine Staatsverschuldung in den USA, die auf 110 Prozent der Wirtschaftsleistung zuwandert. Nehmen Sie als Beispiel man Russland, da liegen wir bei 13 Prozent. Und trotzdem werten die Ratingagenturen Russland auf Ramschniveau und die USA bekommen die Note AAA. Und in den USA wird auch strukturell nicht verändert. Mit anderen Worten, wir haben hier riesige Probleme, die nicht angepackt werden. Aber wenn Themen nicht angepackt werden – dazu hat Herr Gorbatschow mal etwas Herrn Honecker gesagt – wer zu lange wartet, der bezahlt am Ende halt.
Was bedeutet der aktuelle Kurs des Dollars, ja und auch das Handeln der FED aktuell für Europa und auch für Deutschland?
Das Handeln der FED ist ja eher ein Nicht-Handeln, eine abwartende Haltung. Und man entzieht sich dort zurzeit noch der strukturellen und ökonomischen Realität. Es bedeutet für mich, dass die Glaubwürdigkeit der US-Dollars aufgeweicht wird. Und die Reaktionen, die wir am Devisenmarkt gesehen haben, wo der Dollar verloren hat, werden weiter fortschreiten. Der Dollar verspielt seine Glaubwürdigkeit mangels Strukturreform im Bereich der Ökonomie. Und auch die Glaubwürdigkeit der FED wird am Ende durch das Ignorieren dieser strukturellen Defizite eher weiter geschwächt.
Das Interview führte Marcel Joppa.
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