Türken sind zu sehr Opfer, um Täter zu sein
Nicht nur die türkische Regierung tobt. Die Türken leugnen ihre Schuld an den Armeniern, weil sie sich lieber in der Rolle des Opfers sehen, kommentiert D. Baspinar. von Deniz Baspinar
Die Großmutter einer meiner Cousinen ist Armenierin. Als Kind bekam ich ihre Geschichte zu hören. Ihre gesamte Familie war während des ersten Weltkrieges ermordet worden. Ein osmanischer Offizier hatte sie als kleines Mädchen in seine Familie aufgenommen und dadurch gerettet. Später heiratete sie einen Türken und verbrachte ihr ganzes Leben in Anatolien.
Die Mehrheit der Türken in der Türkei , aber auch in Deutschland, wächst jedoch mit einer anderen Geschichte auf. Ich bekam diese zweite Version als Kind ebenfalls erzählt. Die ging so: Während des ersten Weltkrieges hätten sich die Armenier mit dem äußeren Feind, also den Russen, verschworen, seien so der eigenen Heimatfront in den Rücken gefallen und hätten gar Massaker unter der türkischen Zivilbevölkerung angerichtet.
In der ersten Geschichte sind Türken die Täter, sie ermorden wehrlose Bürger des osmanischen Reiches. In der zweiten Geschichte sind die Türken die Opfer, die verraten und getötet werden. Egal zu welchem Ergebnis international renommierte Historiker gelangen, egal wie viele Dokumente die Tötung von Hunderttausenden Armeniern belegen: Die meisten Türken sehen sich als Opfer. Sie leugnen nicht nur die historische Schuld, sie verdrehen die Wirklichkeit.
Das Herumpoltern des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, die Drohungen in Richtung Frankreich , dessen Parlament gerade die Leugnung des Genozids an den Armeniern unter Strafe gestellt hat, ist dieser türkischen Lesart der Ereignisse geschuldet. Erdogan weiß es vermutlich besser, er hat Zugang zu den unter Verschluss gehaltenen historischen Dokumenten auf türkischer Seite. Aber er bedient ein Kernelement des türkischen Selbstverständnisses, mag es noch so neurotisch anmuten. Und das ist: Wir sind immer Opfer; wie könnten wir da Täter sein?
Die Türken sind so damit beschäftigt, sich über ihr Opfer-Sein immer und überall zu empören, dass sie die eigene Schuld gar nicht in ihr Selbstbild integrieren können.
Völkermord: Türken sind zu sehr Opfer, um Täter zu sein | ZEIT ONLINE
Das ist das Problem, wenn man es oft genug sagt dann glauben die meisten Menschen in der Türkei das sie Opfer waren.