Paprika
Jackass of the Week
Um die wichtigste Erkenntnis vorweg zu nehmen: Es gibt genauso wenig die Islamophobie wie es den Islam gibt. Das Wort Islamophobie stellt einen Neologismus dar, der sich aus dem Wort Islam und dem griechischen Begriff Phobie (abgeleitet von φόβος, phobos) zusammensetzt (Strüning 2012). Phobie bedeutet so viel wie Angst oder Furcht.Das ist schon klar, aber der Kollege playboy will ja nicht groß auf dem Islam rumreiten aber jede zweite Satz ist „Islam blablabla“ oder „Moslems blablabla“. Zumal es auch nicht angebracht ist von allen Moslems in Deutschland zu reden ...
Soll er sich ruhig über die Vollblutkanacken aufregen, aber bei ihm grenzt das schon an Islamophobie.
Wer Kritik am Islam pauschal als Islamophobie abtut, spielt den Fundamentalisten in die Hände
Die Behauptung, Europa sei islamfeindlich, hält einer näheren Prüfung nicht stand. Wenn Progressive legitime Kritik am Islam als pathologisch hinstellen, erliegen sie einem folgenschweren Irrtum. Sie machen aus Tätern Opfer – und aus potenziellen Opfern Täter.Der erste und wichtigste Schritt zur Lösung eines Problems ist die Auseinandersetzung mit seinen Ursachen. Falsche Diagnosen helfen bestenfalls nicht oder machen die Sache nur noch schlimmer. Die kontraproduktive Diagnose schlechthin, die über die Ursachen der Krise in der islamischen Welt kursiert, ist die der Islamophobie.
Es besteht kein Zweifel, dass viele Menschen ein negatives Bild vom Islam und von Muslimen haben und dass manche den Islam sogar fürchten. Aber ist dies eine Phobie im Sinne einer übertriebenen, nicht auf Tatsachen gründenden, krankhaften Angst?
Es gibt durchaus Grund zur Sorge um den zeitgenössischen Islam, besonders wenn man weiblich, homosexuell, jüdisch, ungläubig, kritisch muslimisch oder Mitglied einer religiösen Minderheit ist. Ist es erstaunlich, dass manche Menschen ein unbehagliches Gefühl bekommen, wenn sich ein Mann mit Bart und traditionellem islamischem Gewand im Zug neben sie setzt?
Sollte ein als solcher erkennbarer Jude, der es vorzieht, Stadtviertel mit vielen Muslimen zu meiden, einen Termin beim Psychiater machen, um seine Angststörung behandeln zu lassen?
Sind schwule Paare, die bei ihrer Urlaubswahl auf muslimische Länder verzichten, vorurteilsbehaftete Muslimhasser?
Sind Schriftsteller, Komiker, Journalisten und Blogger, die es vermeiden, sich satirisch oder kritisch über den Islam zu äussern, rassistische Angsthasen?
Sind Frauen wie Ayaan Hirsi Ali und Seyran Ateş, die die Unterdrückung von Frauen, von der die islamische Welt durchdrungen ist, anprangern, hasserfüllte Verräterinnen ihrer eigenen Kultur?
Der Begriff der Islamophobie unterstellt, berechtigte Sorgen und Ängste über den real existierenden Islam seien irrationale Formen des Hasses, und macht so Opfer zu Tätern. Umgekehrt werden Täter zu Opfern gemacht.
Eine Frage der Kultur
Das zunehmende Mass an Konservatismus und Fundamentalismus in islamischen Gemeinschaften wird von Anhängern der Islamophobie-These auf Diskriminierung und Ausgrenzung zurückgeführt. Es gibt aber kaum empirische Belege für einen solchen Zusammenhang.Erstens haben Fundamentalismus und jihadistischer Terrorismus ihren Ursprung nicht im Westen, sondern im Herzen der islamischen Welt, in Ländern wie Iran, Pakistan und Saudiarabien, wo Muslime andere unterdrücken, und nicht umgekehrt. Unter den westeuropäischen Muslimen hängen fundamentalistische Überzeugungen und negative Einstellungen gegenüber Juden, Homosexuellen und dem Westen nur bedingt mit einem niedrigeren sozioökonomischen Status und überhaupt nicht mit Diskriminierungserfahrungen zusammen. Auch viele islamische Terroristen entsprechen in keiner Weise dem Klischeebild des Ausgeschlossenen und Marginalisierten.
Die Täter des 11. September waren überwiegend Ingenieure mit Hochschulausbildung und stammten aus wohlhabenden Familien. Mohammed Bouyeri, der Mörder von Theo van Gogh, studierte an einer Amsterdamer Fachhochschule. Die erste Generation islamischer Terroristen, die von al-Kaida inspiriert war, war generell durch ein hohes Bildungsniveau gekennzeichnet. Unter der späteren Generation islamischer Terroristen finden wir zwar weniger Hochgebildete, aber auch hier sind sozioökonomisch marginalisierte Personen nicht überrepräsentiert.
Die oft gehörte Behauptung, die negative Debatte über den Islam sei die Ursache für den Aufstieg des Fundamentalismus und die Radikalisierung junger Muslime, ist eine völlige Umkehrung der Wirklichkeit. Zusammen mit einer Reihe von Kollegen habe ich die öffentliche Debatte über Einwanderung und Integration im letzten Jahrzehnt des zwanzigsten Jahrhunderts in fünf europäischen Ländern – Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, den Niederlanden und der Schweiz – untersucht.
Positive Meldungen dominieren
Von den mehr als 18 000 Aussagen von Politikern und anderen Meinungsführern zu Einwanderung und Integration, die in den Jahren 1990–1999 in Zeitungen dieser Länder abgedruckt waren, hatten nur 286 (1,6 Prozent) Muslime oder den Islam zum Thema. Die Debatte drehte sich überwiegend um Asylbewerber, Ausländer, Aussiedler oder Zuwanderer im Allgemeinen, ohne nach Religion oder ethnischer Zugehörigkeit zu unterscheiden.Einige der Aussagen bezogen sich zwar auf bestimmte Migrantengruppen, einschliesslich ethnischer Gruppen aus islamischen Ländern wie Türken, Marokkanern und Pakistanern. Aber das betraf vor allem Themen wie politische Gewalt zwischen Kurden und Türken, die sozioökonomische Lage der Gruppen, Abschiebungen oder Diskriminierung und Rassismus.
Religiöse Themen wurden fast nie thematisiert (in weniger als 2 Prozent aller Medienberichte über ethnische Gruppen aus islamischen Ländern). Mit anderen Worten, vor der Welle jihadistischer Angriffe, die ab 2001 die Welt überrollte, gab es in Westeuropa kaum eine Debatte über Muslime oder den Islam. Türken, Marokkaner und andere Gruppen aus islamischen Ländern wurden hauptsächlich auf der Grundlage ihrer Nationalität oder ethnischen Zugehörigkeit und nicht auf der Grundlage ihrer Religion angesprochen.
In den wenigen Fällen, in denen der Islam thematisiert wurde, waren negative Meinungen sogar deutlich in der Minderheit. Die meisten Aussagen richteten sich gegen Diskriminierung aufgrund der Religionszugehörigkeit oder sprachen sich für eine Ausweitung der Rechte von Muslimen aus. Doch obwohl es keinerlei Belege für die These gibt, der Welle islamisch motivierter Gewalt in diesem Jahrhundert sei ein hohes Mass an negativer Berichterstattung über den Islam vorangegangen und habe diese sogar verursacht, ist der Glaube daran tief verwurzelt.
Wer diese Tatsachen nicht wahrhaben will, sollte einmal selbst in die Archive eintauchen und eine repräsentative Stichprobe aus der Einwanderungs- und Integrationsdebatte vor der Jahrhundertwende ziehen. Ich kann es nur empfehlen: Es gibt nichts Besseres als die Empirie, um frischen Wind durch die eigenen festgefahrenen Überzeugungen wehen zu lassen.
Legitime Kritik am Islam
Sicherlich hat nach den Anschlägen vom 11. September 2001 und den nachfolgenden Gewalttaten wie der Ermordung Theo van Goghs, den Anschlägen von Madrid und London und Hunderten anderen Terrorakten auf der ganzen Welt die Bedeutung des Islam in der öffentlichen Debatte erheblich zugenommen. Das ist jedoch kaum verwunderlich.Wenn Menschen Flugzeuge in Gebäude lenken, Busse, Züge und U-Bahnen in die Luft jagen, Lastwagen in Menschenmengen steuern, Massaker in Diskotheken, Synagogen und Konzertsälen verüben, dabei Gott anrufen und erklären, dass sie im Namen ihrer Religion handeln – nun, dann liegt es nahe, dass Politiker und Medien auf diese Religion sowie auf die religiösen Überzeugungen und Quellen, von denen die Täter sagen, dass sie von ihnen inspiriert wurden, aufmerksam werden.
Wenn «Ehebrecherinnen», Homosexuelle und «Gotteslästerer» von Scharia-Gerichten im Namen des Islam verurteilt werden und weltweit Bürgerkriege zwischen Gruppen wüten, die alle glauben, ein Monopol auf den wahren Islam zu haben, ist es nicht überraschend, dass dieser Glaube in einem schlechten Licht erscheint.
Das ist ärgerlich für Menschen mit Wurzeln in Ländern wie der Türkei, Syrien oder Pakistan, die zu Recht das Gefühl bekommen, dass sie nur noch als Muslime wahrgenommen werden. Dafür sollten sie jedoch nicht die Überbringer der schlechten Nachrichten über den Islam verantwortlich machen, sondern die fundamentalistischen Regime und religiösen Fanatiker, die täglich die Reputation des Islam beschädigen.
Auch nach all diesen Verbrechen im Namen des Islam ist die Debatte in den Medien übrigens keineswegs so negativ, wie viele Menschen denken. Zusammen mit der deutschen Soziologin Sarah Carol habe ich für den Zeitraum von 1999 bis 2008 die mediale Debatte über die Rechte der Muslime in den gleichen fünf Ländern analysiert, die in der oben genannten Studie vertreten waren, ergänzt durch Belgien. Dies betraf Diskussionen um Kopftücher in Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen, die Burka, den Bau von Moscheen und Minaretten, islamische Schulen und Religionsunterricht, Halalschächtung von Tieren oder das Händeschütteln mit Angehörigen des anderen Geschlechts.
Die Haltung ist nicht scharf, sondern naiv
Nach der Islamophobie-These sollte die Debatte über solche Fragen sehr negativ sein, aber wir fanden heraus, dass die Befürworter eines Entgegenkommens gegenüber den Forderungen und Wünschen von Muslimen in allen untersuchten Ländern in der Mehrheit waren, am deutlichsten in Grossbritannien. Von den sechs Ländern war die Debatte in Deutschland am wenigsten entgegenkommend, aber sogar dort überwogen die Positionen, die eine Ausdehnung der Rechte von Muslimen befürworteten.Für Grossbritannien und die Niederlande ist dieses Ergebnis umso bemerkenswerter, als es im Gegensatz zu den anderen Ländern nicht um Wünsche des Mainstream-Islam wie Moscheen oder Kopftücher ging, sondern vor allem um Praktiken und Forderungen fundamentalistischer Muslime wie Burkas, Schariarecht und die Verweigerung des Handschlags. Aber sogar zu diesen Forderungen war die Debatte in diesen beiden Ländern überwiegend entgegenkommend.
Wenn es in der öffentlichen Debatte in Westeuropa etwas gab, was den Fundamentalismus und die Radikalisierung gefördert hat, dann ist es nicht der vermeintlich negative «Ton» der Debatte über Muslime und den Islam, sondern eher ein zu weitreichendes, naives Entgegenkommen gegenüber Forderungen, die von konservativen oder sogar fundamentalistischen Vertretern des Islam erhoben wurden. Die Umkehrung von Ursache und Wirkung sowie von Opfer- und Täterschaft, die durch den Islamophobie-Diskurs vollzogen wird, lenkt die Aufmerksamkeit von der Notwendigkeit islamischer Reformen ab und macht die Aussenwelt für alles verantwortlich, was in der islamischen Welt schiefläuft.
Paradoxerweise ist dann die Kritik an einer vermeintlichen Islamophobie selbst auch Wasser auf den Mühlen des Fundamentalismus, der ja von der Idee genährt wird, dass die Welt den Muslimen feindlich gesinnt ist und dass Nichtmuslime und Verräter aus den eigenen Reihen den Islam zerstören wollen. Die Vorstellung von einem gefährdeten Islam legitimiert wiederum den Hass auf Andersgläubige und den Einsatz von Gewalt zur «Verteidigung» des Glaubens.
Ruud Koopmans ist Professor für Soziologie und Migrationsforschung am Institut für Sozialwissenschaften der Humboldt-Universität. Bei dem Text handelt es sich um einen Auszug aus seinem neuen Buch «Das verfallende Haus des Islam. Die religiösen Ursachen von Unfreiheit, Stagnation und Gewalt» (Verlag C. H. Beck, München 2020).