Wo bleibt der Aufschrei der Muslime?
SN-Print; 17.12.2014
Eine 17-Jährige engagiert sich gegen die Taliban und bekommt dafür den Friedensnobelpreis. Halten sonst alle den Mund?
Es ist erst eine Woche her, dass der Friedensnobelpreis einer jungen Frau aus Pakistan für ihren Mut verliehen wurde. Malala Yousafzai war für ihr Engagement zugunsten der Schulbildung von pakistanischen Mädchen ausgezeichnet worden. Dieses ist ungebrochen. Sie schweigt nicht. Im Oktober 2012 hatte Malala wie durch ein Wunder einen Anschlag der Taliban überlebt, bei dem ihr aus kurzer Distanz in den Kopf geschossen wurde.
Nun sind es wieder Kinder. 132 Menschen starben bei einem Anschlag der Taliban auf eine Schule in Pakistan, viele davon Schüler. Menschen, die wehrlos sind. Bilder, die sich einbrennen. Die Taliban haben ein widerlich-wirksames Mittel gewählt, um sich zurück ins Rampenlicht zu katapultieren.
Denn von dort hat sie die Terrormiliz "Islamischer Staat" verdrängt. Der Missmut darüber war dem Taliban-Kommandeur aus der westpakistanischen Region Mohmand, in der Nähe von Peschawar in einem Gespräch mit Spiegel Online vor wenigen Tagen anzumerken: "Unsere Brüder im Irak und in Syrien erobern ganze Länder und bekämpfen die Ungläubigen. Und wir? Wir hocken in den Bergen und kommen nicht voran!", beklagte er. "Wir müssen zu unserer alten Kraft zurückfinden, damit uns ein großer Schlag gegen unsere Feinde gelingt."
Dieser Schlag ist nun gelungen. Es ist ein Schlag, der vor allem den jungen Kämpfern in den eigenen Reihen imponieren soll. Die IS-Leute bezahlen Kämpfern mehr Geld, nehmen mehr Land und mehr Platz in den Medien ein, werben Kämpfer ab. Es ist ein grausamer, absurder Konkurrenzkampf, der entbrannt ist. Und Pakistans Regierung gebietet kaum Einhalt. Im Sommer hatten sich zwar die Generäle gegen die Regierung durchgesetzt: Nachdem die Extremisten Friedensgespräche wiederholt mit Anschlägen sabotiert hatten, wird Krieg gegen die Taliban geführt. Tatsächlich aber ist die pakistanische Regierung gerade in der Region um Peschawar machtlos.
Im Namen Allahs werden Verbrechen begangen. Doch ist es seltsam ruhig. Wo bleibt der Aufschrei der Muslime? In Sydney stellte ein islamistischer Einzeltäter am Montag die Fahne mit dem islamischen Glaubensbekenntnis in die Auslage des Café Lindt, wo er 17 Geiseln festhielt, zwei kamen ums Leben. In Peschawar wurden am Dienstag im Namen Allahs 132 Menschen getötet. Einzelne Imame distanzieren sich. Die Mehrheit der Muslime schweigt. Bleibt es bei der Stimme einer 17-Jährigen, die das Massaker laut als grauenhaft und feige verurteilt?