[h=1]Griechenland geht es schlechter als prognostiziert[/h] Die neuesten Daten des IWF zeigen: Das krisengeschüttelte Griechenland hinkt weiter seinen Zielen hinterher. Die Geberländer dürften insgeheim vielleicht gar nicht so unzufrieden damit sein. Von Jan Dams
Foto: picture alliance / Robert Geiss Das Geschäft in Athen ist "zu vermieten": Laut IWF kommt Griechenland zu langsam aus der Misere heraus
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Um Athen ist es fast still geworden. Sieht man von den politischen Turbulenzen im Land ab, die für die Bewohner furchtbar sind, den Rest der Euro-Zone aber kalt lassen, redet man kaum noch öffentlich über Europas Sorgenkind.
Fast vergessen sind die vielen Monate in den vergangenen drei Jahren, in denen das marode Land im Süden der Euro-Zone nicht nur Hauptthema aller Nachrichten war, sondern auch als Spaltpilz für die europäische Einheitswährung galt.
Selbst Deutschlands Regierung, lange kritisch gegenüber dem Land, schweigt. Keiner redet mehr darüber, dass Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble die Griechen zeitweise am liebsten aus der Währungsunion geschmissen hätte.
Also alles gut, könnte man denken. Würde da nicht seit Monaten der Internationale Währungsfonds (IWF) am Umgang der Europäer mit dem Schuldenland rummäkeln. Was den IWF mehr stört als die mäßige Entwicklung des wirtschaftlich stark angeschlagenen Landes, ist die Neigung der Europäer, die Augen vor der Realität in Griechenland zu verschließen.
Der Grund: Europa, nicht zuletzt die Bundesrepublik, scheuen sich vor Maßnahmen, bei denen sie anerkennen müssten, dass die Milliarden an öffentlichen Hilfskrediten, die die europäischen Geldgeber nach Athen geschickt haben, zumindest zum Teil weg sind.
[h=2]Unfreundliche Wahrheit[/h] Der
IWF aber ist nervig, er lässt nicht locker. Mal in drastischen Worten und mal in trockenen Zahlen reibt er den Europäern die unerfreuliche Wahrheit immer wieder unter die Nase: Griechenland geht es schlechter, als all die Prognosen kalkuliert haben. Das zeigt in Daten nun auch der jüngste "Fiscal Monitor" des IWF. So wird Griechenlands Haushaltsplus vor Zinszahlungen im kommenden Jahr bei lediglich 1,1 anstatt der erwarteten 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen.
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Na und, argumentieren manche Europäer nun, wenigstens erzielten die Griechen endlich den geforderten Primärüberschuss. Eines verschweigen sie dabei geflissentlich: 0,4 Prozentpunkte weniger bedeuten ein noch größeres Loch im Haushalt der Griechen, weil die Steuereinnahmen geringer ausfallen.
Im Resultat werden sie entweder noch stärker staatliche Ausgaben kürzen müssen, die seit langem negativen Folgen für die Wirtschaft sind bekannt. Oder sie borgen sich mehr Geld bei den Europäern. Und erhöhen damit ihren Schuldenstand, der neben der Neuverschuldung eines der entscheidenden Kriterien für die Fortsetzung der Hilfsprogramme ist.
[h=2]Nicht enden wollender Albtraum[/h] Es ist wie ein nicht enden wollender Albtraum. Das Land kommt zu langsam aus der Misere heraus. Das Wirtschaftswachstum ist schwächer als erwartet. Die Verwaltung tut sich schwer, Steuern auch einzutreiben, und der beschlossene Verkauf von Staatseigentum kommt nicht voran. Einen kulturellen Wandel, verbunden mit dem Umbau der meisten staatlichen Institutionen, bekommt man nicht in einem Jahr hin und auch nicht in drei, wie sich zeigt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die politische Elite des Landes, die die Reformen durchboxen soll, für die Misere der Griechen verantwortlich ist.
Wenn
Griechenland jetzt zum wiederholten Male die vereinbarten Zieldaten verfehlt, ist das eine ernste Sache. Nicht nur für die Betroffenen in Griechenland, sondern auch für die Europäer und den IWF.
Denn die
Hilfsprogramme der Geberländer basieren auf dem Sanierungspaket der Troika aus
IWF, EU und Europäischer Zentralbank (EZB). Und das sieht nun einmal vor, dass die Griechen zu genau festgelegten Zeiten die Kernvorgaben schaffen – sonst darf die nächste Runde an Kredithilfen nicht nach Athen überwiesen werden.
[h=2]Erdrückende Schuldenlast[/h] Und vielleicht sind die Europäer mit dem Ergebnis der jüngsten IWF-Studie insgeheim gar nicht mal unzufrieden. Schließlich bietet es ihnen einerseits die Handhabe, noch mehr Druck auf die Regierung von Antonio Samaras zu machen, damit diese die nötigen Reformen wieder ein bisschen nachbessert.
Andererseits, und das dürfte auch in der Bundesregierung gut ankommen, geben die IWF-Zahlen eine gute Ausrede, vorerst nicht über einen Schuldenschnitt für Athen reden zu müssen – sei es in Form niedrigerer Zinsen und längerer Laufzeiten für die Hilfskredite oder gar einem Teilverzicht auf die Rückzahlung der Darlehen. Der Grund: Die Europäer haben den Griechen zwar versprochen, über eine Erleichterung ihrer
Schuldenlast zu verhandeln. Nur gibt es dafür eine Hintertür. Das Abkommen besagt, dass nur wenn Athen alle Bedingungen erfüllt, darüber verhandelt werden soll. Und genau das schafft das Land nicht.
Dem IWF aber dürfte diese Entwicklung nicht recht sein. Die Experten weisen seit Monaten darauf hin, dass Griechenlands Schuldenlast so erdrückend ist, dass das Land daran ersticken könnte, wenn die Geberländer nicht Verzicht üben. Weil diese aber die politische Reaktion in ihren Heimatländern fürchten, tut sich nichts. Zuletzt war nur die Rede davon, die Rückzahlung der Kredite in die politische Unendlichkeit von 50 Jahren zu verlängern. Angesichts der Daten jetzt hat man eine Ausrede, nicht einmal darüber nachdenken zu müssen.