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Asatru - das germanische Neuheidentum

Glaube an Germanengötter
Ásatrú liegt in Island im Trend

In Island wird der erste heidnische Tempel seit 1.000 Jahren gebaut. Knapp 3.000 Menschen gehören der Ásatrú-Glaubensgemeinschaft an. In den letzten Jahren haben sich stetig mehr Menschen der Gemeinde angeschlossen. Der Tempelbau, der bis Frühjahr 2017 fertig sein soll, könnte diesen Zulauf noch verstärken. Was fasziniert die Isländer an Thor, Freyja und Frigg? Warum ausgerechnet Germanengötter?

Von Jessica Sturmberg

"Selig ist,
der sich Lob und guten Leumund erwirbt.
Unser Eigentum ist in des anderen Brust doch
ungewiß."

Hávamál – des hohen Lied, ein Kapitel aus der Lieder-Edda oder auch Ältere Edda genannt. Aufgeschrieben im 13. Jahrhundert von unbekannten Dichtern. Die Eddas sind die Überlieferung der germanischen Göttersagen und für die isländische Ásatrú-Gemeinde so etwas wie die heilige Schrift. Die dort beschriebenen heidnischen Sitten gelten als moralische Orientierungshilfe. Ásatrú heißt übersetzt Asenglaube. Für die alten Wikingern war Ásatrú, der Asenglaube, ihr religiöses Fundament – bis zur Christianisierung vor rund 1000 Jahren. Heute ist der Asenglaube wieder im Trend – wie eine Art Rückbesinnung auf die alten heidnischen Werte. Wobei ihre Authentizität durchaus umstritten ist. Schließlich wurde die mündliche Überlieferung erst niedergeschrieben, als das Land schon 300 Jahre unter dem christlichen Einfluss stand.

Die heutige, moderne Ásatrú-Gemeinde mit ihren knapp 3000 Mitgliedern ist zwar noch klein, aber hat sich in vergangenen zehn Jahren verdreifacht. Mit dem Bau eines Tempels sie weiter wachsen und an Bedeutung gewinnen. Was da gebaut wird, ist wohl der weltweit erste Tempel seit eintausend Jahren. Hilmar Örn Hilmarsson ist der Allsherjargoði, also der Ober-Gode, der Vorsteher der Gemeinde:

"Wir haben immer davon geträumt, eine sakrale Stätte zu bauen, seit wir uns vor mehr als 40 Jahren gegründet haben. Wir haben zwar ein Büro und einen Raum für Versammlungen, aber keinen Sakralraum. Die Zeremonien finden daher immer in der Natur statt. Wir wollten aber auch einen Ort, wo wir im Winter sein können. Die Grundsteinlegung für den Bau des Tempels war für uns daher eine große Stunde."

Die politisch unterstützt wurde von verschiedenen Bürgermeistern in Reykjavík. Die meisten Isländer haben ein ausgeprägtes Bedürfnis nach religiöser Toleranz.

Und das vor dem Hintergrund, dass knapp drei Viertel der Bevölkerung Mitglied der evangelisch-lutherischen Volkskirche sind. Rund drei Prozent sind katholisch, Ásatrú mit knapp einem Prozent ist die größte nichtchristliche Gemeinde – aber auch nicht die einzige, die ihren eigenen Sakralraum baut. Auch die Muslime errichten derzeit eine erste Moschee in Island. Ihr Anteil an der Bevölkerung macht ein Viertel Prozent aus.

"Island ist sehr offen für Glaubensrichtungen. Und seit einigen Jahren wird auch offen darüber gesprochen. Es ist gut, dass es einen öffentlichen Diskurs darüber gibt."

Meint Hilmar Örn Hilmarsson. Die Offenheit der 330.000 Isländer hat damit zu tun, dass sie für sich selbst Offenheit beanspruchen. Als sich die Isländer rund ums Jahr 1000 christlich taufen ließen, taten sie das weniger aus Überzeugung, sondern wollten vielmehr einen Glaubenskrieg zwischen Heiden und Christen vermeiden. Der Kompromiss: Die heidnischen Bräuche durften weiter praktiziert werden, solange es heimlich und nicht offiziell geschah.

Heute üben die Riten von Ásatrú eine Faszination auch auf viele Nicht-Gemeindemitglieder aus. Zeremonien wie Hochzeiten, Beerdigungen oder Blóts werden in mittelalterlich anmutenden Gewändern zelebriert. Blóts das sind die Rituale zu Ehren der Germanengötter etwa zur Winterwende – allerdings ohne, dass dabei wie im Mittelalter Tiere geopfert werden.

Lange hat die Ásatrú-Gemeinde Geld gesammelt, um den Bau zu finanzieren. Als anerkannte Religion erhält sie auch einen kleinen Anteil Steuergeld. Das Grundstück wurde von der Stadt zur Verfügung gestellt. Hilmar Örn Hilmarsson rechnet mit umgerechnet einer Millionen Euro Baukosten. Der "Hof" wie der Tempel auf Isländisch heißt, werde ein architektonisches Kunstwerk, schwärmt Gemeindevorsteher und Musikkünstler Hilmar Örn Hilmarsson.

"Das wird ein einzigartiges Gebäude, eine Huldigung der Natur, der Elemente. Es wird vier Meter tief in die Erde gebaut. Dort sieht man wunderschönes Gestein aus zwei verschiedenen Lavaströmen und Eruptionen, das wollen wir freilegen und sichtbar machen. Die Felsbrocken, die wir abtragen, werden für den Bau des Gebäudes verwendet. Die Kraft der Natur wird hier spürbar."

Und soll den Menschen zugleich auch Demut lehren. Ein lichtdurchflutetes, halboffenes Dach ist zur Sonne ausgerichtet und berücksichtigt ihren Jahresverlauf.

"Der Bau soll einen Lebens-Zyklus symbolisieren. Ein Tag ist der Mikromikrokosmos, ein Jahr der Mikrokosmos und unser Leben der Kosmos, der im Kontext zum Makrokosmos steht. Der ist die Metaphorik dafür, dass sich Leben immer wieder erneuert. Die Geometrie des Tempels ist nach Proportionen berechnet, die im Einklang mit der Natur stehen. Hier fließen also Wissenschaft und moderne Architektur ineinander. Dabei wollen wir kein Filmset bauen. Es soll nicht so aussehen wie bei Herr der Ringe."

Betont der Tonkünstler Hilmarsson, der viele Jahre Filmmusik für Hollywoodproduktionen komponiert hat. Es soll ein Bau werden, der offen ist für alle Menschen, unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit. Ein Missionsgedanke liegt Hilmar Örn Hilmarsson dabei fern.

"Das ist eine Grundregel bei uns. Keine Bekehrungen. Es können alle kommen, ob Christen, Atheisten, Muslime, Buddhisten, für alle soll der Tempel offen stehen. Wer Mitglied bei Ásatrú werden will, soll sich das gut überlegen. Das ist eine große Entscheidung, und wer davon nicht vollkommen überzeugt ist, kann uns auch einfach jederzeit besuchen."

"Heilig ist das Land, das ich liegen sehe
Den Asen nah und Alfen.
Dort in Thrudheim soll Thôr wohnen
Bis die Götter vergehen.
(Auszug aus Grimnir)

Ich als Christ habe Angst.
 
Ragnarök, die Götterdämmerung - der erwartete Tod des obersten germanischen Gottes, des Allvater Odin, nach dem Ausspruch der Seherin Heiði, niedergeschrieben in der Edda:

"Surtur fährt von Süden mit flammendem Schwert,
Von seiner Klinge scheint die Sonne der Götter.
Steinberge stürzen, Riesinnen straucheln,
Zu Hel fahren Helden, der Himmel klafft.

Was ist mit den Asen? was ist mit den Alfen?
All Jötunheim ächzt, die Asen versammeln sich.
Die Zwerge stöhnen vor steinernen Thüren,
Der Bergwege Weiser: wißt ihr was das bedeutet?

Da hebt sich Hlins anderer Harm,
Da Odin eilt zum Angriff des Wolfs.
Belis Mörder mißt sich mit Surtur;
Schon fällt Friggs einzige Freude.

Nicht säumt Siegvaters erhabner Sohn
Mit dem Leichenwolf, Widar, zu fechten:
Er stößt dem Hwedrungssohn den Stahl ins Herz
Durch gähnenden Rachen: so rächt er den Vater."
- Völuspa 51-54

Odin spricht mit einer Seherin:
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Ich als Christ habe Angst.

Das brauchst Du nicht! Die deutsche Neuheidenszene befindet sich in einem erbärmlichen Zustand. Dabei darf man sich nicht durch die viel besser aufgestellte Asatru-Gemeinschaft in Island täuschen lassen. Nebenbei, Asatru (Asentreu) ist ein Neologismus (eine Wortneuschöpfung) aus dem Jahre 1972. Neugründer war der Isländer Sweinbjörn Beinteinsson. Das Wort soll den alten Glauben bezeichnen. Doch ist diese Wortwahl unvollständig, weil die Vanen (Vanir) darin gerade nicht enthalten sind. Aber wichtige Götter des germanischen Pantheons sind Vanen, Freya (Venus-Aphrodite), Njörd (Nerthus), Freyr (Kronos-Saturn) und andere. Die Asen waren Kriegergötter, die Vanen hingegen wurden von überwiegend friedlichen argrarisch-seßhaften Menschen verehrt. Asen und Vanen sind nach dem sogenannten Vanenkrieg miteinander verschmolzen. Außerdem hatten die Nordgermanen überwiegend friedliche Kontakte zu den Sami (Lappen), welche eine schamanistische Religion hatten. Daher kommt eine - heute überwiegend unbekannte - positive Konnotation der Trolle, welche in heidnischer Zeit als Erzieher von Königen angesehen wurden. Die heutige - vollkommen negative - Konnotation der Trolle stammt aus dem christlichen Mittelalter, als alle heidnischen Begriffe umgewertet wurden.

Und damit kommen wir zu einem zentralen Quellenproblem des germanischen Neuheidentums: Die sogenannte Snorra-Edda, eine Sammlung von Erzählungen aus angeblich heidnischer Zeit, stammt aus den Jahren 1225-1230, wo sie von Snorri Sturlurson zusammengestellt wurde. Das war jedoch 225 Jahre, nachdem das Allthing in Island das Christentum angenommen hatte. Und so lassen sich einige recht merkwürdige Teile dieser Sammlung, wie etwa der Prolog, die Sonnenlieder (solarlijòd) sowie manche Straforte in der Gylfaginning wohl auch nur damit erklären, daß Snorri Sturlurson, - sofern er überhaupt Heide war -, seine Textsammlung durch die christliche Zensur bringen mußte.

Die germanischen Heiden verstehen die Snorra-Edda überwiegend wie eine Art Bibelersatz, was ihre teilweise absurden religiösen Ansichten vielleicht erklären mag. Es gibt allerdings Quellen, welche authentisches germanisches Heidentum widerspiegeln, so etwa die Merseburger Zaubersprüche. Auch römische Quellen wie die Germania des Tacitus, Berichte über die Varusschlacht oder die Veleda sind glaubwürdig. Bei den Südgermanen, vor allem den Alemannen, war Ziu der oberste Gott. Cisburc (Augsburg) war ihre Hauptstadt.

Ich selbst war in meiner Jugendzeit germanischer Heide, fühlte mich allerdings von Anfang an von einigen Erzählungen in der Gylfaginning abgestoßen (so etwa Nr. 41, wo Thor den Riesen erschlägt, nachdem die Götter ihre Eide gebrochen und ihn um den versprochenen Lohn betrogen hatten). Daß Götter und Riesen sich im Ragnarök gegenseitig vernichten, hielt ich von Anfang an für eine christliche Intrige. Ebenso wenig erschien es mir glaubhaft, daß Thor nicht in der Lage gewesen sein soll, die Midgard-Schlange zu besiegen. Aber all diese Erzählungen, - sei es von Betrügereien, Eidbrüchen sowie anderen Unzulänglichkeiten der Götter -, stammen aus christlicher Zeit. Doch die Versuche germanischer Neuheiden, das irgendwie zu "interpretieren", machen alles nur noch abstruser.

So schloß ich mich dann dem Hellenismos an, dessen Quellen von Hesiod und Homer, über Platon, Aristoteles, Julian, Salustios bis hin zu Damaskios und Simplikios nicht nur unverfälschtes heidnisches Gedankengut enthalten, sondern die Götter mit dem Verstand sehen.

Es mag sein, daß die Isländer die germanische Religion wieder neu aufstellen, der deutschen Neuheidenszene gebe ich hingegen keine Chance.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vikings die 4 Staffel hat schon begonnen. Bei Odin das ist eine Serie die meines Vaters Sohns gefällt. Zieht sie euch alle rein meine nordländischen "brothers":theviking::salute:
 
Meint Hilmar Örn Hilmarsson. Die Offenheit der 330.000 Isländer hat damit zu tun, dass sie für sich selbst Offenheit beanspruchen. Als sich die Isländer rund ums Jahr 1000 christlich taufen ließen, taten sie das weniger aus Überzeugung, sondern wollten vielmehr einen Glaubenskrieg zwischen Heiden und Christen vermeiden. Der Kompromiss: Die heidnischen Bräuche durften weiter praktiziert werden, solange es heimlich und nicht offiziell geschah.

Der christliche norwegische König (der "Heilige" Olaf) hatte Geiseln genommen und drohte sie zu ermorden, wenn Island das Christentum nicht annehmen würde. Das mit der "Vermeidung eines Glaubenskriegs" ist deshalb wohl doch eine reichliche Beschönigung des tatsächlichen Sachverhalts!

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kirche - heidentum = 0:1

Ach mujaga, das ist ein kompliziertes Thema! Inzwischen weiß ich, was die christlichen Kirchen falsch gemacht haben, verrate es aber nicht.

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Zu dem Post von Arminius:

Der Name Arminius stammt von der römischen Pflegefamilie (Arminii = Armenier) des Knaben, welchen Segestes, der germanische Fürst der Cherusci, zusammen mit seinem Bruder Flavus (da waren es die Flavii = Flavier) für den Frieden als Geiseln weggeben mußte.

Der germanische Name des Arminius ist nicht überliefert, doch heißt 'Segifried' oder auch 'Segifred' Friede des Segestes.
 
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