Die Blauen greifen nach der Macht
Erstmals hat die FPÖ echte Chancen, nach den kommenden Nationalratswahlen den Kanzler zu stellen. Damit rechnet die Partei und bereitet sich vor
Ein Café in der Wiener Innenstadt, es ist Nachmittag. Der FPÖ-Mann, der seinen Namen nicht in diesem Text lesen will, hat gute Laune. Ein weißer Spritzer steht vor ihm auf dem Tisch, er bestellt einen Toast. Die Stimmung in der Partei sei prächtig, versichert er. Kein Knatsch, keine Klage, kein Sticheln? Nein, sagt der blaue Stratege, es herrsche "absolute Stille".
Zufriedenheit und manchmal sogar Euphorie tönt in diesen Tagen aus vielen Winkeln der Partei, aber auch Genugtuung und Schadenfreude. Wie der Machtkampf in der SPÖ mit Kabalen und Hieben ausgetragen wird, kommentieren manche ebenso genüsslich wie die Korruptionsermittlungen, die die ÖVP immer wieder einholen. Noch lieber aber ergötzen sie sich am blauen Umfragehoch, das sich inzwischen klar verfestigt hat.
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Kickl will "Volkskanzler" werden
Lange hatte man ja nicht einmal in der FPÖ geglaubt, dass Kickl tatsächlich Ambitionen auf die Kanzlerschaft hat. Kritikerinnen und Kritiker hatten behauptet, dieser wolle sich mit seinem aus ihrer Sicht viel zu radikalen und unversöhnlichen Kurs lieber in der Opposition einzementieren. Die Sorge war groß, dass Kickl die FPÖ – mit seinen Extrempositionen hatte er die Partei seit der Pandemie nach ganz rechts gerückt – dauerhaft in eine Regierungsunfähigkeit manövriert. Dazu kamen im Sommer 2022 noch die Enthüllungen um den Ex-Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein. Die wegen der BVT-Affäre ermittelnde Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft fand auf Jeneweins Handy den Entwurf einer anonymen Anzeige gegen wesentliche Kader der Wiener FPÖ. Da Jenewein zum sehr kleinen Kreis von Menschen zählte, denen Kickl vertraut, löste die Causa zwischenzeitlich größere Irritationen in der Partei aus. Kickl beteuerte intern, nichts von Jeneweins mutmaßlichen Aktivitäten gewusst zu haben – offenbar konnte er überzeugen.
Erstmals hat die FPÖ echte Chancen, nach den kommenden Nationalratswahlen den Kanzler zu stellen. Damit rechnet die Partei und bereitet sich vor
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