Unfassbares Doppelleben
Wie NS-Kriegsverbrecher Sigfried Uiberreither 37 Jahre lang untertauchen konnte
Der Historiker Stefan Karner forschte jahrelang über das mysteriöse Verschwinden des steirischen Reichsstatthalters und legt nun ein minutiös recherchiertes Enthüllungsbuch vor
Einige der grausamsten Endphaseverbrechen des Nationalsozialismus finden vor 80 Jahren auf dem Gebiet der heutigen Steiermark und des Burgenlands statt. Am bekanntesten ist das Massaker von Rechnitz, das am 24. und 25. März 1945 begangen wird. In der Nacht auf Palmsonntag werden dort rund 200 vor allem jüdische Zwangsarbeiter aus Ungarn erschossen, die für den Bau des Südostwalls zur Abwehr der Roten Armee zwangsverpflichtet worden sind.
Mitverantwortlich für die Errichtung dieser letztlich wirkungslosen Verteidigungsstellung ist Sigfried Uiberreither, seit 1938 Gauleiter und Reichsstatthalter der Steiermark sowie seit 1942 für diese Region zuständiger Reichsverteidigungskommissar. Der studierte Jurist und Burschenschafter, der beim "Anschluss" 1938 noch nicht einmal 30 Jahre alt ist, glaubt bis zuletzt an den "Endsieg". Entsprechend unbarmherzig ist sein Umgang mit den für die Bauarbeiten zwangsverpflichteten Ungarn.
Verbrechen im Frühjahr 1945
Mit dem Massaker in Rechnitz hat er zwar nichts zu tun, doch mit zahllosen anderen Morden am Ende der NS-Schreckensherrschaft: So verfügt er zur Steigerung der Arbeitsleistung, dass für jeden geflohenen jüdischen Zwangsarbeiter zehn andere zu erschießen seien. Als es Ende März zur "Evakuierung" der tausenden ungarischen Juden kommt, werden diese auf Geheiß Uiberreithers unter unmenschlichen Bedingungen ins KZ Mauthausen getrieben. Bei den berüchtigten Todesmärschen sterben mindestens 600 von ihnen allein in der Steiermark, viele davon durch Exekutionen am Straßenrand.
Der Historiker Stefan Karner forschte jahrelang über das mysteriöse Verschwinden des steirischen Reichsstatthalters und legt nun ein minutiös recherchiertes Enthüllungsbuch vor
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