Wen wundert der Erfolg der Ultrarechten noch?
In vielen EU-Ländern versuchen sich die Volksparteien in der "Domestizierung" weit rechts stehender Parteien. Das hat schwerwiegende Folgen
Dass Volksparteien den Ultrarechten die Tore zur Regierung öffnen, sieht Politikwissenschafter Günther Pallaver in seinem Gastkommentar mit Sorge.
Als Benito Mussolini nach dem Marsch auf Rom 1922 vom König mit der Regierungsbildung beauftragt wurde, lag der Partito Nazionale Fascista bei rund 6,5 Prozent. Bei den Wahlen 1921 hatten die Faschisten im Blocco Nazionale mit Liberalen und Nationalisten kandidiert und auf 535 Parlamentssitze lediglich 35 Mandate erobert. Bei der Vertrauensabstimmung im Parlament stimmten auch die Popolari – die Christdemokraten – für den Duce. Drei Jahre später regierte Mussolini bereits alleine.
Als Adolf Hitler im Jänner 1933 mit der Regierungsbildung beauftragt wurde, lag die NSDAP nach den Wahlen vom November 1932 bei 33,1 Prozent. An seiner Regierung beteiligten sich neben kleineren Parteien auch Zentrumspolitiker. Gut einen Monat später regierte Hitler bereits alleine.
Popolari und Zentrumspolitiker hatten sich der Illusion hingegeben, die Faschisten beziehungsweise die Nationalsozialisten durch die Regierungsbeteiligung "einrahmen" und damit domestizieren zu können. In Rom und in Berlin wurden sie schnell eines Besseren belehrt und landeten im Confino und in den Konzentrationslagern.
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Annäherung an Fratelli d'Italia
Was in einzelnen Mitgliedsstaaten geschieht, könnte auch auf EU-Ebene erfolgen. Die EVP überlegt seit längerer Zeit Varianten, um eine Neuauflage der "Ursula-Koalition" nach den Europawahlen 2024 zu verhindern. Die Annäherung der EVP an Fratelli d’Italia weist in diese Richtung.
So gesehen geht die Gefahr von Einschränkungen der Demokratie, Verletzungen der Menschenwürde sowie Aushebelung des europäischen Integrationsprozesses weniger von den ultrarechten Parteien aus, sondern von den Volksparteien, die diesen die Tore zur Regierungsbeteiligung öffnen. (Günther Pallaver, 24.5.2023)
In vielen EU-Ländern versuchen sich die Volksparteien in der "Domestizierung" weit rechts stehender Parteien. Das hat schwerwiegende Folgen
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