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Nachrichten aus Europa

Ein Flüchtlingsdeal, begleitet von Londoner Albernheiten
Die britische Regierung feiert den Parlamentsbeschluss, Ruanda zum sicheren Land für Abschiebungen zu erklären – selbst dann, wenn es dies nicht ist

Er werde "die Boote stoppen", hat der britische Premier Rishi Sunak bei seinem Amtsantritt vor achtzehn Monaten versprochen. Gemeint war ein kleiner Teil der Einwanderung ins Vereinigte Königreich: Tag für Tag setzen Menschen aus aller Welt, überwiegend junge Männer, ihr Leben aufs Spiel, indem sie in total überladenen Schlauchbooten den Ärmelkanal zu überqueren versuchen. Skrupellose Schlepperbanden verdienen mit dem Menschenhandel Millionen. Immer wieder kommt es dabei zu Tragödien. In der Nacht zum Dienstag mussten wieder fünf Migranten ihr Leben lassen, darunter ein siebenjähriges Mädchen.

Zur Abschreckung des Phänomens hatte sich die konservative Regierung, damals noch unter Boris Johnson, ein Projekt ausgedacht, das in vielen Ländern Westeuropas mit hohem Interesse verfolgt wird. London erklärte kurzerhand sämtliche Bootsankömmlinge zu "Illegalen"; sie genießen keinerlei Bleiberecht auf der Insel, ob sie nun politische Flüchtlinge sind oder Wirtschaftsmigranten. Das Asylrecht wird nach Ruanda ausgelagert: In dem 7000 Kilometer entfernten zentralafrikanischen Land dürfen sich die Migranten um Asyl bewerben, eine Rückkehr nach Großbritannien bleibt, bis auf wenige Einzelfälle, ausgeschlossen.

 
„UNSER EUROPA KÖNNTE STERBEN“
Macron fordert gemeinsame EU-Aufrüstung
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat Europa mit drastischen Worten zu einer verstärkten Verteidigung aufgerufen. „Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass unser Europa sterben könnte“, warnte der Staatschef am Donnerstag in einer Grundsatzrede an der Pariser Sorbonne-Universität. Europa stehe an einem Wendepunkt und müsse mehr tun, um mit rasch aufrüstenden globalen Rivalen konkurrieren zu können.

Die größte Gefahr für die Sicherheit Europas sei der Krieg in der Ukraine: „Die Grundvoraussetzung für unsere Sicherheit ist, dass Russland diesen Angriffskrieg nicht gewinnt“, sagte Macron. Er schlug die Schaffung einer europäischen Militärakademie vor. „Europa muss das, was ihm am Herzen liegt, verteidigen können – mit seinen Verbündeten, wenn sie dazu bereit sind, aber auch allein, wenn es nötig ist“, sagte er.

Zudem müsse Europa den Bereich Cybersicherheit stärken und die heimische Rüstungsindustrie fördern: „Wie können wir unsere Souveränität, unsere Autonomie aufbauen, wenn wir nicht die Verantwortung übernehmen, unsere eigene europäische Verteidigungsindustrie aufzubauen?“

Durch Nuklearmacht „glaubwürdig“

 
Zehntausende feiern in Lissabon 50 Jahre Demokratie
Anlässlich des 50. Jahrestags des Endes der Diktatur durch die Nelkenrevolution in Portugal sind in Lissabon gestern Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen. „25. April, immer! Faschismus, nie wieder!“, riefen die Demonstrierenden, die Nelken in Knopflöchern oder in den Händen trugen.

Die Nelkenrevolution vom 25. April 1974 beendete 48 Jahre der Gewaltherrschaft des Diktators Antonio de Oliveira Salazar, dem 1968 Marcelo Caetano folgte. Der Name des fast ohne Blutvergießen verlaufenen Aufstands des Militärs geht auf die roten Blumen zurück, die jubelnde Menschen den Soldaten in die Gewehrläufe steckten. Damit wurde auch ein Ende der Kolonialkriege in Portugals afrikanischen Kolonien wie Angola und Mosambik eingeleitet.

 
FALSCHINFORMATIONEN
EU eröffnet Verfahren gegen Meta
Die EU-Kommission verdächtigt Meta, zu wenig gegen die Verbreitung von Falschinformationen auf seinen Plattformen Facebook und Instagram zu tun, und hat ein Verfahren gegen den US-Konzern eingeleitet. Konkret untersucht werden soll, ob Meta im Umgang mit politischer Werbung europäische Regeln verletzt. Das teilte die Kommission am Dienstag in Brüssel mit.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte, ihre Behörde habe Mittel geschaffen, um europäische Bürgerinnen und Bürger vor gezielter Desinformation und Manipulation durch Drittländer zu schützen. „Wenn wir einen Verstoß gegen die Regeln vermuten, handeln wir. Das gilt zu jeder Zeit, aber besonders in Zeiten demokratischer Wahlen“, sagte von der Leyen.

Bei den mutmaßlichen Verstößen geht es unter anderem darum, dass Meta die Verbreitung von irreführender Werbung und Desinformationskampagnen in der EU nicht ausreichend bekämpft. Darüber hinaus vermutet die Kommission, dass die Möglichkeiten von Nutzerinnen und Nutzern, sich etwa über Inhalte auf den Plattformen zu beschweren, nicht den Anforderungen des europäischen Rechts gerecht wird.

„Täuschende Werbung ist ein Risiko“
Die Kommission wirft Meta vor, irreführende Beiträge nicht konsequent genug zu löschen. „Täuschende Werbung ist ein Risiko für unsere Onlinedebatte und letztlich für unsere Rechte als Verbraucher und Bürger“, sagte EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Auf den Plattformen Instagram und Facebook mangle es „an Transparenz bei der Werbung und den Moderationsverfahren für Inhalte“.

 
Migrationspolitik
EU berät Abschiebung straffällig gewordener Asylbewerber
Ein Vorschlag aus Zypern gewinnt innerhalb der EU an Zustimmung: Teile der Asylpolitik sollen deutlich gestrafft, straffällig gewordene Asylbewerber aus Afghanistan und Syrien abgeschoben werden.

Im belgischen Gent sollen die EU-Innenminister am Montag und Dienstag beraten haben, Asylanträge aus Afghanistan und Syrien teilweise abzulehnen. Zusätzlich wolle man Migranten aus diesen Ländern, die sich seit Jahren in der EU aufhalten, abschieben, berichtet die „WELT“. Straffällig gewordene Asylbewerber sollten dabei als Erstes die EU verlassen.

Österreichs Innenminister will Asylpakt „so rasch wie möglich“ umsetzen
Das Vorhaben ist Teil des neuen Asylpakts, den die Innenminister der EU in Gent besprechen. Erstmals vorgestellt hatte es Zypern beim Treffen der EU-Minister im März. Im Mai will das Land eine einschlägige Konferenz organisieren, um das Anliegen voranzutreiben.

 
London bezahlt Asylwerber für Ausreise
Bereits vor der Umsetzung des umstrittenen Plans für Massenabschiebungen nach Ruanda hat Großbritannien einen abgelehnten Asylbewerber gegen die Zahlung von tausenden Pfund zur freiwilligen Ausreise in das ostafrikanische Land bewegt.

Wie die Zeitung „Sun“ aerichtete, reiste der aus einem ungenannten afrikanischen Staat stammende Mann am Montag per Linienflug nach Ruanda. Dort habe er rund 3.000 Pfund (3.500 Euro) als Startgeld aus der britischen Staatskasse erhalten. Dem Sender Sky News wurde der Bericht aus Regierungskreisen bestätigt.

Die Aktion ist nicht Teil des viel kritisierten Plans der konservativen Regierung, irregulär eingereiste Asylbewerber ungeachtet ihrer Herkunft zu Tausenden nach Ruanda abzuschieben. Die „Sun“ sprach dennoch von einem historischen Moment, der zeige, dass es möglich sei, Asylsuchende in einen Drittstaat abzuschieben. Dagegen kritisierte die oppositionelle Labour-Partei, es handle sich um eine PR-Aktion im Wahlkampf.

 
„BIG BANG“ 2004
Lehren aus der großen EU-Osterweiterung
Der 1. Mai ist für die EU ein prägendes Datum: 2004 hat sich die Zahl der Mitglieder mit einem Schlag um zehn Länder auf 25 erweitert. Trotz politischer Differenzen, etwa mit Polen und Ungarn, gilt die Erweiterung als Erfolg – und als Argument, weitere Länder wie die Ukraine zügig aufzunehmen. Der Ruf nach einer Reform der EU vor einer Erweiterung wird aber auch lauter.

Mit Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, der Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern traten vor 20 Jahren viele Länder aus dem früheren Einfluss der ehemaligen Sowjetunion bzw. mit Slowenien eine jugoslawische Teilrepublik dem Staatenverbund in einem „Big Bang“, wie es damals hieß, bei. 2007 folgten Bulgarien und Rumänien, wegen Mängeln im Justizsystem verspätet. Kroatien kam 2013 dazu.

Trotz aller Euphorie und Bilder für die Geschichtsbücher gab es damals wie heute auch viele Kritiker und Kritikerinnen, die sich durch die Entwicklungen gerade der vergangenen Jahre wohl bestätigt fühlen. Zunächst Ungarn und dann Polen entwickelten sich politisch in von den Verfechtern der Erweiterung betrachtet eher unerwartete Richtungen.

 
Die EU-Erweiterung von 2004 war ein mutiger und richtiger Schritt
Vieles in der Europäischen Union ist seither komplizierter geworden. Das entspricht ganz der Weltlage, in der man mit Kleinstaaterei nicht weiterkommt

Zwanzig Jahre sind vergangen seit der großen EU-Erweiterung vom 1. Mai 2004. Manche sahen die Entscheidung für den Beitritt von zehn mittel- und osteuropäischen Ländern damals als überhastet an, manche meinen bis heute, der Schritt sei zu rasch erfolgt. Doch wie lange und worauf hätte man noch warten sollen? Die Freiheitsrevolutionen in den einstigen kommunistischen Diktaturen, die den Großteil der damaligen Neulinge ausmachten, lagen bereits 15 Jahre zurück.

Die noch jungen und dennoch bereits erprobten Demokratien versprachen eine neue Dynamik für die gesamte Union, auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Zudem schien es riskant, das geopolitische Machtvakuum außer Acht zu lassen, das der Zerfall der Sowjetunion hinterlassen hatte – und es wäre ignorant gegenüber jenen Beitrittswerbern gewesen, die nach der jahrzehntelangen Erfahrung sowjetischer Vorherrschaft ihren Platz in der EU sahen. Auch in den Kandidatenstaaten selbst war – mit Ausnahme Zyperns – die Entscheidung für eine EU-Mitgliedschaft in Referenden klar bestätigt worden.

 
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