Die Deutsche Welle hatte ja wie erwähnt damals Abstand von ihrem eigenen Artikel genommen, allerdings vor allem, weil der verantwortliche Autor ständig subjektiv kommentierte. Trotzdem würde ich nicht unterschreiben, dass allgemein alle dort erwähnten Journalisten lückenlos saubere Arbeit geleistet hatten.
Dass irgendeine Form der Intervention nötig war, ist klar: Das serbische Regime trug durch die Aberkennung von Titos Autonomie zu einer massiven Benachteiligung der albanischen Bevölkerung und somit zum Erstarken der UCK bei.
Somit ist Milosevic verantwortlich für die Flüchtlingswellen und Verbrechen vor und nach Beginn der Nato-Bombardements im KS. Dabei entlastet es ihn auch nicht, falls die systematischen Vertreibungen erst nach März 99 begannen – von Racak und massig weiteren Verbrechen im Vorfeld ganz zu schweigen. Mit den unbestrittenen massenhaften Vertreibungen und dem noch radikaleren Verhalten der JNA und Polizei nach der Intervention und der Ablehnung einer UNO-Friedenstruppe verbaute er sich dann die Chance, der NATO weitere Grundlagen zur Rechtfertigung des völkerrechtswidrigen Krieges gegen die Zivilbevölkerung Jugoslawiens zu entziehen.
Genau zur Klärung des Maßes der Brutalität des Einschreitens der NATO spielt aber der eben angesprochene und hier oft diskutierte Aspekt eine Rolle, ab wann die Vertreibungen systematisch gesteuert waren – und der bleibt bei einem großen Teil der kritisierten Artikel unerwähnt. Gregor Gysi berichtet in seinem Brief an Milosevic, dass das auswärtige Amt er Bundesregierung „bis in den März 1999 hinein Vertreibungen und "ethnische Säuberungen" in Bezug auf die Kosovo-Albaner ausdrücklich“ bestritten hatte und dass die Bundesregierung bei rambouillet „in krassem Widerspruch dazu “ stand. Passend dazu zitierte er Clinton
in seiner bekannten Rede von damals, vor seinem eigenen Senat von „Eigeninteressen“ gesprochen zu haben, als er die Intervention rechtfertigen und erklären musste, warum er im Kosovo eingreifen wolle und nicht in vergleichbaren Situationen in Kaschmir z.B.. Ähnliches Messen mit zweierlei Maß bei massakrierten Kurden in der Türkei und Zivilisten in Südafrika damals usw. Racak sowie die bereits vorher stattgefundenen Unterdrückungen und Verbrechen gegen Albaner wirft er Milosevic dagegen auch offen und direkt vor. Des Weiteren hatte er sich die Mühe gemacht und mit vielen Albanern gesprochen, um Milosevics Behauptung zu widerlegen, jene seien nur vor Bomben geflüchtet.
Kurzum: Sowohl bei Entstehung der UCK, als auch bei der Schaffung zur Grundlage einer Intervention sowie auch zur Legitimation der zynischen Vorgehensweise der NATO gegen zivile Ziele muss man die Ursachen zumindest zu einem großen Teil bei Milosevic suchen. Erwähnte Punkte, nachweisliche Fehlberichterstattungen abgesehen von dem DW-Artikel sowie die generelle Unterstützung der UCK statt Rugova zeigen aber, dass es durchaus auch um die geopolitische Vormachtsstellung der USA ging.
Ich finde selbst als Laie das Ausloten der ganzen Faktoren, wie so oft im Balkan-Konflikt, alles andere als einfach, von daher kann man den Journalisten aus dem Artikel aber genauso wenig einen kollektiven Vorwurf machen, wie sie als Superprofis zu verallgemeinern. Der kritisierende Autor wirkt unentschlossen und subjektiv, zitiert teils wirklich suggestive Fragen oder Fischers Auschwitz-Vergleich, andererseits meckert er aber dann wieder an proserbischen Artikeln von Andrej Ivanji herum. Also eigentlich kein Wunder, dass eine Publikation sich nicht dahinter stellt.