Raumfahrt: Russland und Iran beschließen Kooperation
Russland und der Iran haben ein Abkommen über eine engere Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Weltraumforschung geschlossen. Experten sehen die Kooperationsvereinbarung als taktische Antwort auf die Sanktionen der USA und des Westens gegen beide Länder.
Anfang Mai wurde von der möglichen Wiederaufnahme der russisch-iranischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Weltraumforschung berichtet. Ein entsprechendes Dokument wurde nun durch den stellvertretenden Direktor der russischen Föderalen Weltraumagentur, Anatolij Schilow, und dem kommissarischen Leiter der Iranischen Weltraumagentur ISA, Hamid Faseli, unterzeichnet. Es sieht eine Erweiterung der Aufgabenbereiche und der bilateralen Zusammenarbeit vor. Der Iran soll demnach Zugang zu Weltraumaufnahmen russischer Satelliten erhalten. Außerdem sollen iranische Satelliten mithilfe russischer Trägerraketen ins All gebracht werden. Iranische Astronauten werden in Russland auf ihren Weltraumflug vorbereitet.
Weltraumforschung seit über fünfzig Jahren
Der Iran ist eines der 24 Gründungsmitglieder des im Jahre 1959 gebildeten UN-Komitees für die friedliche Nutzung des Weltraums. Die ersten Versuche der Umsetzung eines eigenen Weltraumprogramms wurden bereits in den Siebzigerjahren unter der Regierung Schah Reza Pahlavi unternommen. Die islamische Revolution im Jahre 1979 führte zu einer Unterbrechung. Das Interesse an dieser Aufgabe erwachte erst wieder am Ende des 20. Jahrhunderts.
Im April 2003 wurde die iranische Weltraumagentur ISA gegründet. Der damals verabschiedete Fünfjahresplan zur Entwicklung des Raketen- und Weltraumprogramms sah den Start von mindestens fünf Telekommunikations- und Erderkundungs-Satelliten sowie weiteren Anlagen zur Weltraumforschung vor.
Der damalige ISA-Direktor verkündete zwei Jahre später die Breitstellung von 500 Millionen US-Dollar (363 Millionen Euro) für die nächsten fünf Jahre. Ziel war, dass der Iran bis zum achten Platz in der Liste der Weltraummächte, die selbstständig Satelliten in die Erdumlaufbahn befördern können, aufrücken wird.
Von Höhenraketen bis zur bemannten Raumfahrt
Die Weltraumforschung begann im Iran mit dem Start von Höhenraketen. Anfang 2007 wurde die Konversionsvariante einer modifizierten Gefechtsrakete „Shahab-3" (zu Deutsch „Meteor-3"), die eine Höhe von 150 Kilometern erreichte, und 2008 die zweistufige „Kawoschgar-1" („Erforscher-1"), die bis auf eine Höhe von 250 Kilometern stieg, gestartet. In diesem Jahr wurde mit einer „Kawoschgar-2"-Rakete ein automatisches Weltraumlabor auf eine sub-orbitale Umlaufbahn befördert. Vierzig Minuten nach dem Start der Rakete kehrte es mithilfe eines Fallschirms zur Erde zurück.
Der erste iranische Satellit „Sina-1" wurde am 28. Oktober 2005 mithilfe der russischen Trägerrakete „Kosmos-3M" vom Weltraumflughafen Plesjezk in Russland auf die Erdumlaufbahn befördert. Seitdem versuchte
der Iran, auf Basis der „Shahab"-Raketen eigene Raketen zum Transport von Satelliten zu entwickeln. Die „Shahab"-Raketen hatten ursprünglich eine ballistische Funktion und sind vergleichbar mit den nordkoreanischen „Taepodong"-Raketen.
Im Jahr 2009 schaffte der Iran mit der erfolgreichen Entsendung des Satelliten „Omid" den Aufstieg zur neunten Weltraummacht. Zuvor hatten die Sowjetunion/Russland, die Vereinigten Staaten, Frankreich, Japan, Nordkorea, Großbritannien, Indien und Israel bereits Satelliten mithilfe eigener Trägerraketen in die Erdumlaufbahn geschickt.
In den folgenden Jahren wurde eine Reihe Satelliten zur Wetterbeobachtung und zur Warnung vor Naturkatastrophen in den Orbit befördert. Im Jahr 2013 war der Iran dann das sechste Land in der Geschichte der Raumfahrt, das Tiere in den Weltraum geschickt hat. Nach einigen missglückten Startversuchen, die sämtlich mit einem Absturz endeten, erfolgten zwei Weltraumflüge, deren tierische Passagiere, Schimpansen, erfolgreich wieder zur Erde zurückkehrten.
Im August 2013 wurde bekannt gegeben, dass nun auch die Entwicklung des ersten bemannten Weltraumschiffs des Irans abgeschlossen worden sei. Die Planungen dafür begannen im November 2005. Laut Medienmeldungen soll der dreisitzige Flugapparat, der von Fachleuten der Khaje-Nasir-Universität konstruiert wurde, bis zum Jahr 2022 seinen ersten orbitalen Weltraumflug unternehmen.
„Gefährliche" Technologien werden nicht weitergereicht
Die jüngsten Meldungen über eine erneute russisch-iranische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Weltraumforschung bringen ausländische Experten mit der
Ukraine-Krise in Verbindung, die zu Wirtschaftssanktionen gegenüber Russland geführt hat. Beobachter meinen, das unterzeichnete Dokument könnte in den Verhandlungen mit
dem Westen als Trumpfkarte aus dem Ärmel gezogen werden. Gleichzeitig erachten sie die erzielte Übereinkunft nicht etwa als strategisches Manöver, sondern lediglich als taktischen Schritt, der mit einer Rücknahme der Sanktionen gegenüber Russland wie auch gegenüber dem Iran sogleich an Bedeutung verlieren würde. Für beide Länder ist der Wert dieser Zusammenarbeit direkt proportional zum Druck durch den Westen.
Die Experten merken auch an, dass Russland offensichtlich nicht beabsichtige, das Verhältnis zum Westen wegen des „Atomproblems des Irans" endgültig zu ruinieren. Deshalb auch soll die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Weltraumforschung ohne die Übergabe „gefährlicher Technologien" erfolgen und sich ausschließlich auf den Austausch von Informationen und das Bereitstellen von Dienstleistungen im Rahmen von Raketenstarts beschränken.
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