St. Petersburger Wirtschaftsforum: Russische
Großprojekte stärken heimische Metallindustrie
Die russische Metallbranche fokussiert sich auf die heimische Produktion. Neue Infrastrukturprojekte wie eine geplante Hochgeschwindigkeitstrasse und eine neue Erdgaspipeline nach China sichern die Unabhängigkeit von westlichen Lieferanten.
Auf dem Sankt Petersburger Wirtschaftsforum kündigte Alexander Mascharin, Vizepräsident des russischen Eisenbahnmonopolisten Russkije schelesnyje dorogi („Russische Eisenbahnen“), gegenüber RBTH an, dass in Russland eine neue Hochgeschwindigkeits-Eisenbahntrasse gebaut werden soll. Die 800 Kilometer lange Trasse soll Moskau mit der Wolgastadt Kasan verbinden und bis zum Beginn der Fußballweltmeisterschaft, die 2018 in Russland stattfindet, fertiggestellt werden. Zurzeit warte das Unternehmen auf die Freigabe von sechs Milliarden Rubel (129 Millionen Euro) aus dem russischen Staatshaushalt, um mit dem Projekt starten zu können. Auch deutsche Unternehmen haben Mascharin zufolge ihre Absicht erklärt, sich am Bau der Trasse zu beteiligen.
Auf eigenen Schienen fahren
Die für den Bau benötigten Schienen sollen allerdings anders als bei früheren Projekten diesmal nicht aus Deutschland und vom japanischen Konzern Nippon Steel importiert werden. Seit Anfang 2014 verzichten die Russischen Eisenbahnen auf den Kauf von Schienen ausländischer Hersteller. Davon profitieren die einheimischen Metallurgie-Unternehmen Evraz und Metschel. Noch im Vorjahr stammten 20 Prozent der von den Russischen Eisenbahnen eingekauften 950 000 Tonnen Schienen aus ausländischer Produktion. Dabei handelte es sich um 100-Meter-Schienen mit erhöhter Festigkeit und Wärmebeständigkeit, die in erster Linie für die Hochgeschwindigkeitstrassen Moskau – Sankt Petersburg und Sankt Petersburg – Helsinki Verwendung fanden. Diese Schienen verformen sich auch bei großer Hitze oder Kälte nicht.
Die russischen Schienenbauer sind gut vorbereitet auf den Großauftrag.
Erst in diesem Jahr führten sowohl Metschel als auch Evraz umfangreiche Modernisierungen durch. Evraz investierte mehr als 365 Millionen Euro, Metschel sogar 550 Millionen Euro. Bereits im zweiten Halbjahr werden die Russischen Eisenbahnen zwischen 100 000 und 130 000 Tonnen Schienen bei Metschel einkaufen, den restlichen Bedarf deckt – wie auch schon früher – Evraz ab. Unterm Strich sparen die Russischen Eisenbahnen nach eigenen Angaben dadurch beim Einkauf bis zu 30 Prozent pro Jahr ein, was in etwa 73 Millionen Euro entspricht.
Die geplante engere wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Russland und China bringt den russischen Metallurgie-Unternehmen weitere lukrative Aufträge ein. Wie der Geschäftsführer des Unternehmens Truboinnowazionnyje Technologii („Innovative Rohrtechnologien“), Iwan Schabalow, erklärte, würden die russischen Röhrenproduzenten aufgrund des Erdgasliefervertrags mit dem chinesischen Staatsunternehmen CNPC ihre Produktion anpassen. Insgesamt würden für die Erdgaspipeline „Sila Sibiri“, durch die das Erdgas nach China geliefert werden soll, 2,5 Millionen Tonnen Rohre benötigt. Dabei müssen zum Beispiel die Rohre für den 800 Kilometer langen, durch Jakutien führenden Abschnitt der Erdgaspipeline eine besonders hohe Temperaturbeständigkeit aufweisen, da es sich bei dieser Zone um ein Permafrostgebiet handelt. Um diese Produktion durchführen zu können, mussten die Liefertermine für die russisch-italienische Pipeline „South Stream“ korrigiert werden.
Die Investitionen haben sich gelohnt
Die Umsetzung solcher Großprojekte erleichtert die bereits begonnene Umorientierung der russischen Metallbranche auf einheimische Kunden. „Die russischen Metallurgie-Unternehmen fühlen sich finanziell stark“, sagte Wladislw Ginko, Wirtschaftsexperte und Dozent am Institut für die Wirtschaft natürlicher Monopole der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Verwaltungsdienst beim Präsidenten der Russischen Föderation. „Das Metallurgiekombinat Nowolipezk zum Beispiel kann die an die Aktionäre auszuschüttende Dividende um acht Prozent erhöhen“, berichtete Ginko.
Gleichzeitig, so der Experte, müssten sich die russischen Unternehmen schon seit Längerem mit dem Problem auseinandersetzen, im Ausland zukünftig von dem Markt gedrängt zu werden. Daher hätten sie in den letzten beiden Jahren einen Teil ihres Absatzes von den Exportmärkten auf die inländischen Märkte umgeleitet. Die Sanktionen des Westens gegen Russland hätten diesen Prozess beschleunigt.
Um unabhängig von den westlichen Märkten zu werden, habe unter anderem die Rohrindustrie in Russland in den vergangenen Jahren Investitionen in Höhe von 7,7 Milliarden Euro getätigt und 60 000 neue Arbeitsplätze geschaffen, erklärt der Direktor des Entwicklungsfonds der Rohrindustrie, Oleg Kalinskij. „Inzwischen fertigen wir 19 Millionen Rohre pro Jahr. Die Käufer einheimischer Rohre sind unter anderem Unternehmen wie Gasprom und Rosneft. Früher – sogar zu Sowjetzeiten –
kamen die Rohre aus Deutschland, im Gegenzug lieferte Russland drei Milliarden Kubikmeter Erdgas. Doch die Situation hat sich geändert“, so Kalinskij.
Die russischen Großunternehmen gingen bei ihren Investitionen ein großes Risiko ein. Sie mussten hohe Kredite aufnehmen, ohne von den Endkunden eine Abnahmegarantie zu haben. Weder die Energieriesen Gasprom und Rosneft noch andere Großunternehmen hatten zugesagt, die neuen russischen Rohre zu kaufen. Sie wollten das Produkt erst testen. Am Ende aber waren sie mit der Qualität zufrieden. Inzwischen beträgt der Anteil importierter Rohre bei Gasprom weniger als zwei Prozent.
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