Damien
Ultra-Poster
Ölvorkommen
Russland – das Land der ungehobenen Bodenschätze
Das Schieferölvorkommen in Westsibirien ist so groß wie Frankreich und Spanien zusammen. Die russischen Rohstoffkonzerne können diese jedoch nicht heben. Die Exploration herkömmlicher Lagerstätten hat Vorrang.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat wieder die Gelegenheit genutzt, im Staatsfernsehen eine nationale Errungenschaft zu präsentieren. In einer Liveschaltung von Moskau an das andere Ende des Landes gab er Ende Juni das Kommando, die Erdölplattform „Berkut“ in Dienst zu stellen. Die weltgrößte Plattform ihrer Art, betrieben von einem internationalen Konsortium unter Beteiligung des staatlichen Riesen Rosneft, ist 50 Stockwerke hoch und wird 25 Kilometer vor der Pazifikinsel Sachalin unter dem Meeresboden bis zu 14 Kilometer in jede Richtung bohren. Bis knapp 33 Millionen Fass Erdöl à 159 Liter jährlich soll Berkut von Ende 2014 an liefern. Und doch: Das ist nichts.
Zumindest ist es nichts im Vergleich mit dem, was einige tausend Kilometer weiter westlich möglich wäre, in Westsibirien: Dort liegt die Baschenow-Formation, ein gigantisches Vorkommen von Schieferöl auf einer Fläche von 1,2 Millionen Quadratkilometern, eine Fläche in etwa so groß wie Spanien und Frankreich zusammen. In einer Tiefe von rund zwei Kilometern ruht dort ein Großteil der technisch förderbaren Schieferölreserven Russlands, die nach Schätzung der amerikanischen Energy Information Administration (EIA) 75 Milliarden Fass betragen. Alle nachgewiesenen Erdölreserven Russlands betragen nach Zahlen des Ölkonzerns BP 93 Milliarden Fass.
Russland besitzt die weltgrößten Vorkommen förderbaren Schieferöls
Die Gegenüberstellung hinkt etwas. Die Definition für technisch förderbare Reserven ist wesentlich breiter als für nachgewiesene Reserven, bei der auch ökonomische Rahmenbedingungen der Exploration, verfügbare Fördertechniken und Regulierungen berücksichtigt werden. Aber die Dimension wird deutlich. Russland besitzt laut EIA die weltgrößten Vorkommen technisch förderbaren Schieferöls. Die Vereinigten Staaten liegen mit 58 Milliarden Fass abgeschlagen auf Platz zwei.
Doch es wird dauern, bis vom russischen Erdöl viel an die Oberfläche kommt. Die Erschließung der Baschenow-Formation steckt am Anfang. Gasprom Neft, die Erdöltochtergesellschaft des staatlich kontrollierten Erdgaskonzerns Gasprom, öffnete im Januar in Kooperation mit Shell das erste von fünf Bohrlöchern, mit denen in den kommenden zwei Jahren Fracking-Technologien getestet werden. Beim Fracking wird eine Mischung aus Wasser und Chemikalien unter hohem Druck in das Schiefergestein gepresst und so das darin enthaltene Erdöl freigesetzt. Gasprom Neft erwartet vor 2021 keine Förderung im großen Stil. Laut Grigori Wigon, Direktor des Energy Centers im Moskauer Forschungszentrum Skolkowo, wird es zehn Jahre dauern, bis die Formation ausgebeutet werden kann – wegen fehlender Technologie. Der Rückstand ist groß, und die Vorkommen sind oft kompliziert gelagert.
Das Wissen zur Erschließung von Schieferöl ist in Russland nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Deshalb kooperieren hiesige Unternehmen mit der ausländischen Konkurrenz. Auch Rosneft will die Baschenow-Formation nicht links liegenlassen: Mit Exxon Mobil hat der Konzern 2012 ein Joint Venture arrangiert. Für die Exploration eines weiteren schwer zugänglichen Vorkommens spannte Rosneft 2013 mit Statoil zusammen, vor einigen Wochen auch mit BP. Andere russische Erdölkonzerne wie Lukoil unterhalten weitere Allianzen, aber gemeinsam ist ihnen eines: Viel Erdöl bringen die unkonventionellen Vorhaben auf die Schnelle nicht zutage.
Damit hängt es zunächst von der Erschließung neuer konventioneller Projekte und der Stabilisierung bereits (häufig noch in der Sowjetzeit) erschlossener Vorkommen ab, ob Russland die Produktion stabil halten kann. Offshore-Vorkommen in der Arktis werden laut Skolkowo-Experte Wigon wegen der technischen und finanziellen Hürden, wenn überhaupt, erst nach 2030 im großen Stil einen Beitrag leisten.
Derzeit fördert Russland etwa 10,5 Millionen Fass Erdöl täglich, nahe an der Kapazitätsgrenze. Lange Zeit rang es mit Saudi Arabien um die Position als weltgrößter Produzent, doch nun holen die Vereinigten Staaten auf. Wie zuvor bei Schiefergas, dessen Förderung die Vereinigten Staaten zum global wichtigsten Erdgasproduzenten gemacht hat, ist es nun das Schieferöl, das die amerikanische Produktion auf mehr als 11 Millionen Fass pro Tag im ersten Quartal beflügelt haben soll. Obwohl in den Vereinigten Staaten die Reserven kleiner sind, ist man dort mit der Erschließung von Schieferöl weiter als in Russland – auch weil die Amerikaner bereits mit Schiefergas Erfahrungen gesammelt haben.
Exploration herkömmlicher Lagerstätten hat Vorrang
Anders in Russland: Im Land der laut BP weltweit zweitgrößten nachgewiesenen Erdgasreserven ist das Thema nicht aktuell. Die konventionellen Vorkommen sind so groß, dass sich die teure Exploration der vorhandenen alternativen Ressourcen nicht rechnet. Die Exploration herkömmlicher und leicht zugänglicher Lagerstätten hat Vorrang. Gasprom schließt es zumindest für die kommenden zehn Jahre aus, sich mit Schiefergas zu befassen.
Die Förderung schwer zugänglichen Erdöls war zudem lange Zeit betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll – bis vergangenen September die Explorationssteuer für solche Vorkommen reduziert und teilweise aufgehoben wurde. Dennoch bleiben Fragezeichen ob der Geschwindigkeit, mit der Russland seinen Rückstand aufholen kann: In den Vereinigten Staaten waren es viele kleinere Explorationsfirmen, die den „Shale-Oil-Boom“ vorangetrieben haben. In Russland fehlt dieser Unterbau. Hier arbeiten die Konzerne in Eigenregie. Immerhin wird beim Schieferöl nun jene Vorarbeit geleistet, die dem Land nach 2020 einen Boom bescheren könnte. Genau dann, wenn der amerikanische vielleicht schon wieder abklingt.
Russland hat gigantische Schieferölvorkommen
Russland – das Land der ungehobenen Bodenschätze
Das Schieferölvorkommen in Westsibirien ist so groß wie Frankreich und Spanien zusammen. Die russischen Rohstoffkonzerne können diese jedoch nicht heben. Die Exploration herkömmlicher Lagerstätten hat Vorrang.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat wieder die Gelegenheit genutzt, im Staatsfernsehen eine nationale Errungenschaft zu präsentieren. In einer Liveschaltung von Moskau an das andere Ende des Landes gab er Ende Juni das Kommando, die Erdölplattform „Berkut“ in Dienst zu stellen. Die weltgrößte Plattform ihrer Art, betrieben von einem internationalen Konsortium unter Beteiligung des staatlichen Riesen Rosneft, ist 50 Stockwerke hoch und wird 25 Kilometer vor der Pazifikinsel Sachalin unter dem Meeresboden bis zu 14 Kilometer in jede Richtung bohren. Bis knapp 33 Millionen Fass Erdöl à 159 Liter jährlich soll Berkut von Ende 2014 an liefern. Und doch: Das ist nichts.
Zumindest ist es nichts im Vergleich mit dem, was einige tausend Kilometer weiter westlich möglich wäre, in Westsibirien: Dort liegt die Baschenow-Formation, ein gigantisches Vorkommen von Schieferöl auf einer Fläche von 1,2 Millionen Quadratkilometern, eine Fläche in etwa so groß wie Spanien und Frankreich zusammen. In einer Tiefe von rund zwei Kilometern ruht dort ein Großteil der technisch förderbaren Schieferölreserven Russlands, die nach Schätzung der amerikanischen Energy Information Administration (EIA) 75 Milliarden Fass betragen. Alle nachgewiesenen Erdölreserven Russlands betragen nach Zahlen des Ölkonzerns BP 93 Milliarden Fass.
Russland besitzt die weltgrößten Vorkommen förderbaren Schieferöls
Die Gegenüberstellung hinkt etwas. Die Definition für technisch förderbare Reserven ist wesentlich breiter als für nachgewiesene Reserven, bei der auch ökonomische Rahmenbedingungen der Exploration, verfügbare Fördertechniken und Regulierungen berücksichtigt werden. Aber die Dimension wird deutlich. Russland besitzt laut EIA die weltgrößten Vorkommen technisch förderbaren Schieferöls. Die Vereinigten Staaten liegen mit 58 Milliarden Fass abgeschlagen auf Platz zwei.
Doch es wird dauern, bis vom russischen Erdöl viel an die Oberfläche kommt. Die Erschließung der Baschenow-Formation steckt am Anfang. Gasprom Neft, die Erdöltochtergesellschaft des staatlich kontrollierten Erdgaskonzerns Gasprom, öffnete im Januar in Kooperation mit Shell das erste von fünf Bohrlöchern, mit denen in den kommenden zwei Jahren Fracking-Technologien getestet werden. Beim Fracking wird eine Mischung aus Wasser und Chemikalien unter hohem Druck in das Schiefergestein gepresst und so das darin enthaltene Erdöl freigesetzt. Gasprom Neft erwartet vor 2021 keine Förderung im großen Stil. Laut Grigori Wigon, Direktor des Energy Centers im Moskauer Forschungszentrum Skolkowo, wird es zehn Jahre dauern, bis die Formation ausgebeutet werden kann – wegen fehlender Technologie. Der Rückstand ist groß, und die Vorkommen sind oft kompliziert gelagert.
Das Wissen zur Erschließung von Schieferöl ist in Russland nicht in ausreichendem Maße vorhanden. Deshalb kooperieren hiesige Unternehmen mit der ausländischen Konkurrenz. Auch Rosneft will die Baschenow-Formation nicht links liegenlassen: Mit Exxon Mobil hat der Konzern 2012 ein Joint Venture arrangiert. Für die Exploration eines weiteren schwer zugänglichen Vorkommens spannte Rosneft 2013 mit Statoil zusammen, vor einigen Wochen auch mit BP. Andere russische Erdölkonzerne wie Lukoil unterhalten weitere Allianzen, aber gemeinsam ist ihnen eines: Viel Erdöl bringen die unkonventionellen Vorhaben auf die Schnelle nicht zutage.
Damit hängt es zunächst von der Erschließung neuer konventioneller Projekte und der Stabilisierung bereits (häufig noch in der Sowjetzeit) erschlossener Vorkommen ab, ob Russland die Produktion stabil halten kann. Offshore-Vorkommen in der Arktis werden laut Skolkowo-Experte Wigon wegen der technischen und finanziellen Hürden, wenn überhaupt, erst nach 2030 im großen Stil einen Beitrag leisten.
Derzeit fördert Russland etwa 10,5 Millionen Fass Erdöl täglich, nahe an der Kapazitätsgrenze. Lange Zeit rang es mit Saudi Arabien um die Position als weltgrößter Produzent, doch nun holen die Vereinigten Staaten auf. Wie zuvor bei Schiefergas, dessen Förderung die Vereinigten Staaten zum global wichtigsten Erdgasproduzenten gemacht hat, ist es nun das Schieferöl, das die amerikanische Produktion auf mehr als 11 Millionen Fass pro Tag im ersten Quartal beflügelt haben soll. Obwohl in den Vereinigten Staaten die Reserven kleiner sind, ist man dort mit der Erschließung von Schieferöl weiter als in Russland – auch weil die Amerikaner bereits mit Schiefergas Erfahrungen gesammelt haben.
Exploration herkömmlicher Lagerstätten hat Vorrang
Anders in Russland: Im Land der laut BP weltweit zweitgrößten nachgewiesenen Erdgasreserven ist das Thema nicht aktuell. Die konventionellen Vorkommen sind so groß, dass sich die teure Exploration der vorhandenen alternativen Ressourcen nicht rechnet. Die Exploration herkömmlicher und leicht zugänglicher Lagerstätten hat Vorrang. Gasprom schließt es zumindest für die kommenden zehn Jahre aus, sich mit Schiefergas zu befassen.
Die Förderung schwer zugänglichen Erdöls war zudem lange Zeit betriebswirtschaftlich nicht sinnvoll – bis vergangenen September die Explorationssteuer für solche Vorkommen reduziert und teilweise aufgehoben wurde. Dennoch bleiben Fragezeichen ob der Geschwindigkeit, mit der Russland seinen Rückstand aufholen kann: In den Vereinigten Staaten waren es viele kleinere Explorationsfirmen, die den „Shale-Oil-Boom“ vorangetrieben haben. In Russland fehlt dieser Unterbau. Hier arbeiten die Konzerne in Eigenregie. Immerhin wird beim Schieferöl nun jene Vorarbeit geleistet, die dem Land nach 2020 einen Boom bescheren könnte. Genau dann, wenn der amerikanische vielleicht schon wieder abklingt.
Russland hat gigantische Schieferölvorkommen