Doch, kommt es. Das zeigt die Geschichte. Die Säkularisierung der europäischen Gesellschaft begann aus Eigeninitiative der Menschen und nicht durch Zwang von (oftmals sogar theokratischen) Staaten.
Atatürk hat es mit Zwang auch versucht. Er hat es aber nicht geschafft. Zumindest hat sich nicht einmal die Hälfte der türkischen Gesellschaft säkularisiert. Völlig verständlich, denn Verbote führen nicht zur Säkularisation.
Der Staat garantiert individuelle Freiheiten. Dazu gehört es auch, sich in der Öffentlichkeit mit religiösen Kleidungsstücken zu zeigen oder das Gegenteil, sich freizügig anzuziehen. Der Staat hat dem Volk Folge zu leisten und nicht umgekehrt. Denn das wäre dann eine Diktatur.
Beim Laizismus geht es darum, dass der Staat keine Religion repräsentieren darf und dass die Religionen mit ihren Institutionen sich nicht in das Staatssystem einmischen. Laizismus ist nicht gleich Säkularismus.
Ich finde das ein wenig problematisch. Der Laizismus entstand aus freiheitlichen Gedanken und dazu gehören auch individuelle Freiheiten. Wieso pickst du dir aber nur die Rosinen aus? Wenn man für eine laizistische Verfassung ist, sollte man dann auch für die freiheitlichen Werte der Verfassung einstehen und religiöse Menschen nicht dämonisieren oder als dumm darstellen.
Religion ist Privatsache. Damit bin ich auch einverstanden. Das heisst für mich aber, dass man niemandem seine Religion aufzwingt und sie als persönliche Meinung und Auffassung sieht und dass man gleichzeitig Staat und Verfassung zu respektieren hat. Das tun beispielsweise auch kopftuchtragende Polizistinnen in Kanada. Sie repräsentieren den kanadischen freiheitlich-demokratischen Rechtsstaat, weil sie für ihn arbeiten.
Der Säkularismus verbreitet sich sowieso nicht durch nicht-kopftuchtragende Polizistinnen oder durch eine strenge religionsverbannende Staatspraxis. Weder Atatürk, noch Stalin, noch Mao haben das geschafft.
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Du preist die Demokratie an, was ich an sich nicht kritisiere. Aber zur Demokratie und vor allem zu den Menschenrechten gehört es dazu, dass Menschen verschiedene Weltanschauungen haben dürfen. Wenn man als Staat jetzt Säkularismus wie einst Atatürk, Stalin und Mao erzwingt, dann verstärkt man nur die Religiosität in der Bevölkerung, vor allem in der weniger gebildeten. Um den Menschen die Demokratie "schmackhaft" zu machen, muss man auf andere Mittel zurückgreifen als Repression.
Lubenica, ich teile das nicht. Du beschreibst da zwar ganz schön eine perfekte Welt, aber es bleibt bloss eine Utopie, so wie sie einst Thomas Morus mal entworfen hat. Ich halte eine solche Welt für unwahrscheinlich und ausserdem würde ich eine solche Welt nicht wollen, die sich gegenteiliger Meinungen entledigt. Das ist nicht der Sinn von Fortschritt, noch von Demokratie.
Religionsfreiheit ist ein zentrales Menschenrecht. Eine Demokratie ist keine Demokratie, wenn sie die Religionen (und vor allem die Religionen der Minderheiten) nicht toleriert. Solange die Religionsausübung keinen Gesetzen widerspricht, solange gehört die Ausübung zur Freiheit.
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So "friedlich", wie es einst in der Sowjetunion war?
Oder im enveristischen Albanien?