Würde mich interessieren wie viele Turkvölker tatsächlich im ganzen türkischen Gebiet leben. Ich hab mal nur von 10% gehört. Weiß aber nicht mehr woher ich das habe.
Ich halte das für Unsinn. Dabei geht es mir auch nicht um ideologische Gründe, sondern es ist einfach nicht haltbar zu glauben, dass ein paar Nomaden kommen und ein dichtbesiedeltes Gebiet wie Anatolien in so kurzer Zeit erobern und die autochtone Bevölkerung assimilieren.
Die Sinnfreiheit dieser Theorie wird unteranderem im Vergleich deutlich: Wie konnten ein paar hunderttausend Nomaden Anatolien, große Teile Persiens, große Teile des Chorasans und den Kaukasus unterwerfen und sprachlich assimilieren, aber das zentralistisch organisierte Osmanische Reich Arabien, die Balkanhalbinsel und weitere Gebiete nicht?
Konkretes Gegenbeispiel: Oruc Reis, geboren auf Lesbos, Sohn eines türkischen Kavellerieoffiziers und seiner griechischen Frau wird vom Emir von Algerien zur Hilfe gerufen um die Spanier zu bekämpfen. Erobert Dscherba, schlägt die Spanier zurück, tötet den Emir und wird zum Herrscher großer Gebiete in Algerien. Da die indigene arabische Bevölkerung Oruc nicht wohlgesinnt ist, versucht sie ab und an zu revoltieren, wird aber von den Janitscharenkorps aus Istanbul unterdrückt. Wieso spricht heute niemand Türkisch in Algerien? Nicht einmal 5% der Bevölkerung?
Das ist recht interessant das der Westen / Südwesten wohl die meisten Nomaden abbekommen hat ich kann die quelle wo die sprache von Zentralanatolien war leider nicht mehr finden werde sie aber sobald ich sie gefunden habe hier rein posten. Kann aber natürlich gut möglich sein das du recht hast mit dem Westen. Um ehrlich zu sein glaube ich das 200.000 zelte auf einem fleck eine starke Übertreibung sind. Im mittelalter und auch in der antike neigten die Geschichtsschreiber zu starken Übertreibungen Herodot schrieb z.b. das Xerxes als er Richtung Mittelgriechenland zog ein Heer von 1.000.000 Perser anführte was die Flüsse leer trank heute weiß man das diese zahl wohl unmöglich war. Auch im mittelalter sprach man in der Schlacht von Manzikert das die Byzantiner 500.000 Krieger hatten dabei hatten sie wahrscheinlich wohl eher 50.000.
200.000 zelte wären bei 4 mann pro Zelt fast auch eine Million menschen was wohl auch übertrieben ist denke ich mal. Wo und mit was soll man so viele menschen auf der durchreise ernähren ?
Stimmt schon. Sowohl in der Antike (dein Beispiel) wie auch im Mittelalter wurde gerne mit Zahlen übertrieben. Ohnehin sind Rekonstruktionen von Migrationsströmen besonders schwer darzustellen. Die türkische Migration bzw. die der Turkvölker aus Zentralasien ist nochmal problematischer, weil sie über einen sehr langen Zeitraum erfolgte und die Stoßrichtungen voneinander abweichen.
Proto-Bulgaren, Kumanen, Kiptschaken und weitere turksprachige Nomadenstämme erreichten und etablierten sich auf der Balkanhalbinsel schon sehr früh. Die subsumiere ich sowieso nicht unter den "Ahnen" der Türkeitürken oder Balkantürken (sofern man sowas überhaupt machen kann).
Es steht aber fest, dass die Einwanderung der Vorfahren der Türkeitürken in erheblichem quanititativem Umfang erfolgte. Der britische Historiker A.C.S Peacock fasst das ganz gut zusammen:
"n the eleventh century, a Georgian chronicler commented that it seemed as if "all Turks of the whole world" had settled in Georgia. In Anatolia, Greek sources describe Türkmen groups of some 2,000-10,000 in the late eleventh and twelfth centuries, while at the time of the Third Crusade (1190), 100,000 Türkmen are reported in southwestern Anatolia by an awed western chronicler. Ibn Sai´id records T ürkmen encampments of 30,000 tents around Kastamonu in the mid-thirtheenth century, and 200,000 north of Antalya. According to Nasawi, writing of the early thirteenth century, the Türkmen swarmed like ants over Arran and Mughan. In the same period, Yagut remarked that Mughan is a region where there are many villages and pastures which the Türkmen, who comprise most of its people, occupy for their flocks. Azerbaijan and Kurdistan appear to have had a significant population of Ivai Türkmen. However, it is unclear how representative these figures are. Lambton has suggested that Turkish settlement in Iran was slight until the Mongol invasions in the thirteenth century, perhaps because for most of eleventh century Türkmen did not settle in Azerbaijan, but went on to Anatolia. There were significant tribal movements in the late twelfth century too. We cannot asume that the scale of settlement was uniform throughout the ares that fell und Seljuq control, or that figures for later periods are representative of the eleventh century."
Early Seljuq History: A New Interpretation; Routledge (2010)