Deutsche Politiker rollen den Muslimen den Gebetsteppich aus. Dass dies mit Integration belohnt wird, dürfte ein frommer Wunsch sein. Über den neuen deutschen Ramadan-Kult.
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Das deutsche Politik-Establishment ist im Ramadan-Fieber. Aussenministerin Annalena Baerbock wünschte in einer Videoansprache eine gesegnete Fastenzeit: «Ramadan mubarak!»
Die Städte Frankfurt und Köln haben eine Fasten-Beleuchtung angemacht. Die Frankfurter Bürgermeisterin spricht von «Lichtern des Miteinanders», einem Zeichen «gegen antimuslimischen Rassismus und auch gegen Antisemitismus». Sogar der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff meldet sich aus der Versenkung und spricht von einem «ganz wichtigen Signal». Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» titelt «Happy Ramadan», und der WDR kommentiert: «Es ist Zeit für einen deutschen Ramadan».
Für einmal scheinen die Bedenken über kulturelle Aneignung keine Rolle zu spielen,
Medien wie der WDR geben sogar Empfehlungen ab, wie man sich gegenüber muslimischen Freunden verhalten soll. Wichtig: Respekt zeigen und mit «Ramadan mubarak» begrüssen, wie es die Aussenministerin vorgemacht hat.
Die Verklärung des Fremden
Diese Phänomene wären kaum der Rede wert, würden sie nicht mit einer verschämten deutschen Kultur korrespondieren, die sich in ihrem Streben nach Inklusion allmählich verdünnisiert. Man erinnert sich etwa an eine deutsche Integrationsbeauftragte, die
Weihnachtskarten versandte, auf denen das Wort «Weihnachten» nicht vorkam: «Egal woran Sie glauben . . . wir wünschen Ihnen eine besinnliche Zeit und einen guten Start ins neue Jahr.» Oder an ihre Vorgängerin im Amt, die mit dem Satz berühmt wurde: «Eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar.»
Die neue deutsche Zelebrierung des Ramadans findet in einem
Kontext der Selbstverleugnung statt. In einem Land, in dem Kreuze Anstoss erregen, in dem Kitas Schlagzeilen machen, weil sie – aus Rücksicht auf Muslime – kein Schweinefleisch mehr verwenden; und ein
Martinsfest auch mal als «Sonne-Mond-und-Sterne-Fest» durchgeführt wird, um ja niemanden zu verletzen.
Während Politiker, Journalisten und Beamte oft einen verklemmten Bezug zur eigenen Kultur haben, neigen sie dazu, das Fremde zu verklären. In dieser Konstellation ist das Grundproblem der deutschen Integrationspolitik angelegt: Fremde Kulturen werden in ihrem Fremdsein gefördert. Und wenn sich Ausländer in eine deutsche Kultur eingewöhnen wollen, so bekommen sie von den Behörden zu hören, dass eine solche Kultur nicht existiere. Sprache, Literatur, Musik, Geschichte, Philosophie, Formen des Umgangs und der Geselligkeit, die jüdisch-christliche Prägung? Eine Leerstelle.