Kokain, Krieg und Kulisse – Was hinter Trumps Karibikschlag gegen „Venezuelas Drogenboote“ wirklich steckt
Die Bilder sind gemacht für die Nachrichten-Primetime: ein Körnchen-Video aus der Vogelperspektive, ein Boot im südlichen Karibikmeer, dann eine Explosion. Präsident Trump verkündet, auf seinen Befehl hin hätten US-Streitkräfte ein Schmugglerboot der venezolanischen Bande Tren de Aragua versenkt – elf Tote. Während vor Venezuelas Küsten mehrere US-Kriegsschiffe kreuzen, triumphiert Washington über einen „kinetischen Schlag“ gegen die Kartelle. Caracas spricht von KI-Fälschung, liefert aber keinen Beleg. Und Amerika fragt: Flutet Venezuela die USA wirklich mit Drogen – oder wird hier Sicherheitspolitik als Theater gespielt? Wer die nüchternen Daten statt die Schlagzeilen liest, sieht ein anderes Bild. Venezuela ist kein nennenswerter Produzent von Kokain. Es ist vor allem Transitland – ein Korridor, gespeist durch die poröse, tausend Kilometer lange Grenze zu Kolumbien, dem weltweit größten Produzenten. Schätzungen der US-Regierung verorteten 2020 rund 200 bis 250 Tonnen Kokain, die jährlich über Venezuela weiterflossen – grob ein Zehntel der Weltmenge. Das ist viel, aber nicht das Epizentrum. Andere Routen bewegen weitaus mehr Ware; 2018 liefen laut US-Daten etwa 1.400 Tonnen über Guatemala. Entscheidend ist zudem die Geografie der Logistik: Der Hauptstrom für Nordamerika geht durch den Pazifik. 2019 wurden rund drei Viertel aller Lieferungen über den Pazifikkorridor registriert, vor allem von Kolumbien und Ecuador aus; die Karibik war die kleinere, wenn auch sichtbare Bühne. Auch beim Fentanyl – dem wahren Killer der US-Opioidkrise – ist Venezuela kaum mehr als ein rhetorischer Blitzableiter. Die synthetische Droge entsteht nahezu vollständig in Mexiko, aus Vorläufersubstanzen, die häufig aus China kommen. Dass Kokain in den USA mit Fentanyl gestreckt wird, ist belegt – doch das Schneiden passiert in Mexiko oder auf US-Boden, nicht in Caracas. Wer also aus einem Schlag gegen ein Boot vor Venezuela einen Schlag gegen die Fentanyl-Epidemie macht, betreibt vor allem symbolische Politik.
Das heißt nicht, Venezuela sei unschuldig. Das Land ist durchsetzt von Schmuggelnetzwerken, begünstigt von schwachen Institutionen und systemischer Korruption. US-Anklagen und geleakte Ermittlungsakten aus Kolumbien zeichnen seit Jahren ein Bild, in dem Sicherheitskräfte Transporte schützen, Mitwisser kassieren und staatliche Strukturen als Schmiermittel des Geschäfts dienen. Die amerikanische Justiz hat Präsident Nicolás Maduro 2020 wegen Verschwörung zum Drogenschmuggel angeklagt – zusammen mit Vertrauten und Militärs, etikettiert unter dem Sammelbegriff Cartel de los Soles. Juristisch bewiesen ist davon wenig; politisch wirksam ist es allemal. Expertinnen und Experten beschreiben das „Kartell“ weniger als klassische Drogenfirma, sondern als Patronagenetz: illegales Gold, fette Staatsverträge, veruntreute Hilfsgelder – Geldströme, die Loyalitäten kaufen und das Regime versorgen. Oder, wie es ein langjähriger Venezuela-Analyst formulierte: Maduro hält die oberen Ränge „satt und still“.
Die Bilder sind gemacht für die Nachrichten-Primetime: ein Körnchen-Video aus der Vogelperspektive, ein Boot im südlichen Karibikmeer, dann eine Explosion. Präsident Trump verkündet, auf seinen Befehl hin hätten US-Streitkräfte ein Schmugglerboot der venezolanischen Bande Tren de Aragua versenkt...
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