Der Aufstieg des Cyberfaschismus
In den USA gestalten nun die Tech-Milliardäre die Politik. Den Staat sehen sie als Hemmschuh, gewählte Regierungen als Relikte einer vergangenen Zeit. Die Wahldemokratie muss jetzt dagegenhalten – bevor es zu spät ist
Politikwissenschafter Hendrik Wagenaar schreibt in seinem Gastkommentar über die gefährlichen politischen Visionen der US-amerikanischen Tech-Milliardäre.
Die alte Weisheit, dass der Faschismus nicht im alten Gewand zurückkehren wird, hat heute beängstigende Aktualität. In den USA erleben wir nicht nur die Aushöhlung demokratischer Institutionen, sondern auch den Aufstieg einer neuen Allianz zwischen Tech-Oligarchen und autokratischen Politikern. Die daraus entstehende politisch-korporative Allianz zeigt Züge eines neuen Faschismus in einer neuen Spielart. Beginnt die Ära des Cyberfaschismus?
Anders als klassische Autokratien, in denen die Eigentümer des Kapitals meist im Hintergrund agierten, stehen Tech-Milliardäre wie Elon Musk, Peter Thiel oder David Sacks heute ganz vorne auf der politischen Bühne. Sie finanzieren autoritäre Bewegungen und wirken aktiv an der Gestaltung von Regierungspolitik mit. Ihre Vision ist die Zerstörung demokratischer Systeme und ihr Ersatz durch eine techno-autoritäre Herrschaftsform, gestützt auf Blockchain-Technologie, rechtsfreie Räume, und Artificial General Intelligence (AGI), eine "generelle" künstliche Intelligenz, die auf eine weite Bandbreite von Aufgaben anwendbar ist. In den Augen der Protagonisten des Cyberfaschismus ist AGI nicht länger ein Instrument, um menschliche Expertise zu unterstützen, sondern eine Art technologisches Superhirn, das selbst komplexe und kreative Aufgaben besser lösen kann, als es ein Mensch jemals könnte. Das ist die Hauptidee hinter Musks Programm: nicht Effizienz oder Sparsamkeit, sondern der vollständige Ersatz menschlicher Arbeit durch Maschinen. In den Worten des Tech-Unternehmers Bryan Johnson: "Wir erschaffen Gott in Form von Superintelligenz."
In den USA gestalten nun die Tech-Milliardäre die Politik. Den Staat sehen sie als Hemmschuh, gewählte Regierungen als Relikte einer vergangenen Zeit. Die Wahldemokratie muss jetzt dagegenhalten – bevor es zu spät ist
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