Die unsichtbaren Tränen Amerikas
Es gibt Schreie, die niemand hört.
Es gibt Brüche, die keine Zeitung druckt.
Und es gibt Länder, die sich selbst verraten, nicht durch Worte, sondern durch Taten.
In Tampa, an einem gewöhnlichen Frühlingstag, wird Heidy Sánchez bei einem routinemäßigen Check-in verhaftet. Kein Urteil, kein letzter Kuss für ihre kleine Tochter, kein Abschied von ihrem Ehemann. Zwei Tage später sitzt sie in einem Flugzeug nach Kuba – ein Land, das sie längst hinter sich gelassen hatte.
Ihre Tochter, kaum ein Jahr alt, leidet unter schweren Anfällen. Noch stillte Heidy sie, als ICE-Beamte sie wie eine Akte aus einem Schrank zogen. Ihre Anwältin, Claudia Cañizares, eilte noch am Morgen der Deportation, die Unterlagen in der Hand, die Hoffnung im Herzen. Aber ICE winkte ab – Heidy sei bereits fort, sagten sie. Oder vielleicht wollten sie einfach nichts mehr hören.
„Sie folgen nur Befehlen“, sagte Cañizares später, und ihre Stimme klang wie eine Klage. „Eine bestimmte Anzahl pro Tag. Mehr zählt nicht. Der Rest ist Schweigen.“
Heidy Sánchez – keine Kriminelle, keine Gefahr. Nur eine Mutter. Nur ein Mensch. Doch in einem System, das keine Menschen mehr sieht, zählt nur noch die Statistik, die abends auf einem anonymen Schreibtisch abgeheftet wird.
In einem anderen Winkel des Landes, während die Uhren dieselbe Stunde schlugen, ein weiteres Vergehen:
Ein zweijähriges Mädchen, Bürgerin der Vereinigten Staaten, wird zusammen mit ihrer schwangeren Mutter abgeschoben. Ihr Vater, der bleiben wollte, kämpfte verzweifelt. Doch Richter Terry Doughty, einer der wenigen, der noch hinschaute, schrieb: „Es besteht der starke Verdacht, dass die Regierung ein US-amerikanisches Kind ohne ordentliches Verfahren deportiert hat.“
Aber Verdacht reicht nicht, wo der nächste Flieger wartet.